Die Chroniken von Ninavel – Die Blutmagier
Gedanken zu machen. Sie wissen nicht, dass ich nach Kost reise. Nur sollte es auch so bleiben.«
»Und das ist alles?« Dev machte die Augen schmal. »Sicher?«
Kiran stellte sich seinem prüfenden Blick. Ein kurzer Einsatzseiner Kräfte und Dev würde alles glauben, was er sagte. Er bezwang sich. »Natürlich.«
Dev sah ihn noch einen Moment lang an, dann zuckte er die Achseln. »Na schön. Dann reichen ein paar einfache Kniffe.« Er warf ihm eine wachsversiegelte Lackdose zu. »Haarfarbe. Reib dir das in die Haare. Ich fixiere sie dann mit einem Bindezauber. Mit braunen Haaren siehst du eher aus, als kämst du aus dem Norden.« Ein Mundwinkel ging in die Höhe. »Mit den schwarzen stichst du hervor wie ein Rabe unter Hühnern. Ach, und wir müssen sie dir natürlich abschneiden, damit du nicht so vornehm erscheinst.«
Dev zog eine münzgroße Silberscheibe aus der Tasche. »Die musst du entweder auf der Haut tragen oder dir in die Haare binden.« Auf Kirans fragenden Blick hielt er sie ins Licht. »Das ist ein Sieh-weg-Amulett. Ein dezentes, kein protziges. Viele von uns tragen Amulette. Das fällt niemandem auf.« Er zeigte seine silbernen Armreifen, die Kiran schon an den Runenadern als simple Schutzamulette erkannt hatte.
Dev hielt ihm das Sieh-weg-Amulett hin. Kiran nahm es zögerlich. Zu seiner Erleichterung lag es ruhig in seiner Hand, ohne zu funkeln oder aufzuleuchten, und auch Lizavetas Amulett, das er in der Kleidung trug, reagierte nicht. Gut. Das hieß, Devs Amulett war klein und simpel genug, um die Magie des anderen nicht zu stören. Kiran legte es hin und öffnete die Lackdose. Die Paste darin stank widerlich.
Kiran überwand sich und schöpfte eine Handvoll heraus. »Sag mir bitte, dass der Gestank nach der Fixierung weggeht.«
Zum ersten Mal sah er Dev lachen. »Betrachte das einfach als Einstimmung auf die Reise, Stadtjunge. Hast du schon mal die Maultierscheiße eines ganzen Handelszuges unter der Nase gehabt?« Bei Kirans unwillkürlicher Grimasse lachte er noch ausgelassener.
ZWEI
DEV
Als ich zum ersten Mal einen Handelszug sah, der sich für eine Gebirgsüberquerung bereit machte, hätte ich vor Staunen Mund und Augen aufgerissen, wäre ich nicht wild entschlossen gewesen, Sethan zu beeindrucken. Die schiere Anzahl von Leuten, Tieren und Wagen in dem Sammelhof war schon unglaublich, doch wie reibungslos und tüchtig alles vonstatten ging, das machte mich sprachlos. Die Anführer der Diebesbanden konnten sich nur wünschen, ihre Leute wären ebenso flink und diszipliniert. Später rief meine begeisterte Schilderung ein ironisches Funkeln in Jyllas schwarze Mandelaugen, und sie bemerkte dazu, dass in den Augen eines Handelshauses auch der härteste Bandenführer nur ein Sandfloh sei.
Jylla. Zur Hölle mit ihr. Wie lange würde es dauern, bis sich die Erinnerung an sie nicht mehr anfühlte wie ein Messer in den Eingeweiden?
Ehe ich mich Kiran zuwandte, setzte ich ein gleichmütiges Gesicht auf, hätte mich aber gar nicht zu bemühen brauchen, denn er war so sehr von dem Betrieb im Sammelhof gefangen genommen, dass ihm auch entgangen wäre, wenn ich gejammert und geflucht hätte wie ein varkevischer Dämonensänger. Ich musterte ihn noch mal im grauen Morgenlicht. Die nunmehr braunen Haare reichten ihm nur noch bis über den Kragen. Unter seinen Fingernägeln saß der Dreck, und seine Kleider waren alt und passten schlecht, bestanden aber aus zähem Leder. Ja, er würde als Mann von der Straße durchgehen. Jedenfalls solange er daran dachte, den Mund zu halten.
Der Sammelhof am Westtor befand sich in der Bastei der Sandsturmmauer, weshalb der Lärm, der von den glatten Steinquadern widerhallte, ohrenbetäubend war. Männer riefen einander zu, Maultiere schrien, Pferde wieherten, und dazu kam das Poltern und Scharren der Kisten, die auf die Wagen geladen und festgezurrt wurden. Ich musste Kiran am Arm fassen, damit er mir zuhörte.
»Komm weiter. Wir müssen uns beim Wagen der Vorreiter melden, dann Pferde beim Stallmeister holen.« Ich wand mich durch eine trampelnde Schar von Stauern, die Kisten und Säcke verluden.
Kiran folgte mir auf dem Fuß. »Du hast kein eigenes Pferd?«
»Soll das ein Witz sein? Weißt du, wie viel so ein Pferd frisst? Es wäre dämlich, sich eins zu halten, wenn man es nur bei solchen Aufträgen reitet. Und wenn man allein unterwegs ist, sind Maultiere besser.«
Wir waren fast bei dem robusten Wagen angekommen, auf den das Kennzeichen der Vorreiter, zwei
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