Die Chroniken von Ninavel – Die Blutmagier
er’s mit der anderen, rettet einen kein Amulett mehr vor der Katastrophe. Daran glaubt man sofort, wenn man einmal im Gebirge war und gesehen hat, wie Leute ohne eigenes Zutun ums Leben kommen. Doch bisher hatte ich keinen Grund zu glauben, irgendwo könnten unsichtbare Teufel lauern, um die menschliche Seele zu verderben. Meiner Erfahrung nach waren die Menschen ganz allein imstande, Böses zu tun.
Kiran schüttelte den Kopf. »Aber jeder Magier könnte ihnen sagen, dass das Amulett wertlos ist.«
Ich warf ihm einen bezwingenden Blick zu. Khalmet sei Dank, ritten wir weit genug hinter dem letzten Wagen her, sodass der Kutscher ihn nicht gehört haben dürfte.
Verwirrung und Unbehagen zeigten sich in Kirans Gesicht. Ich neigte mich zu ihm. »Einen Magier fragen?«, raunte ich. »Na klar, es wohnen ja auch so viele in den einfachen Vierteln. Außerdem können sie einen auf genauso grässliche Weise umbringen wie die Teufel aus den Lagerfeuergeschichten. Bandenführer und Nobelleute mögen sich ja für so gerissen halten, dass sie gefahrlos mit Magiern verkehren können, aber die einfachen Leute halten sich lieber von ihnen fern.«
»Verstehe«, sagte Kiran leise. Dann kniff er die Lippen zusammen und verfiel in dasselbe störrische Schweigen wie zuvor.
Ich seufzte. Darauf hatte ich es nicht angelegt. Andererseits war das besser, als wenn ihm noch mehr solch gefährliche Bemerkungen herausrutschten. Pellos Wagen war nicht weit von uns entfernt.
Im Laufe des Nachmittags wurde der Weg noch steiniger, und es ging ununterbrochen bergan. Ich hielt ein Auge auf die Wolken über uns gerichtet, die als vereinzelte kleine Bäusche angefangen hatten und inzwischen zahlreich und groß geworden waren. Zwar waren sie noch weiß, aber das würde sich bald ändern. Darum läutete Meldons Glocke, als wir einen Abschnitt der Schlucht erreichten, wo der Weg so eben war, dass man die Wagen sicher anhalten konnte. Bis zu den Bäumen war es noch ein Stück, aber am Boden der Schlucht wuchsen mannshohe Katzenkrallensträucher zwischen den Felsbrocken, und das hieß, dort gab es Wasser.
»Hier rasten wir?«, fragte Kiran.
»Jep. Siehst du die Wolken? Die sind mächtig aufgequollen. Es wird vermutlich bald stürmen. Cara hat es Meldon gemeldet, weshalb der entschieden hat, hier das Nachtlager aufzuschlagen. Besser, wir haben reichlich Zeit, um alles gut abzudecken und die Zelte aufzuschlagen.«
»Aber wie steht es mit Wasser? Du sagtest doch, wir halten erst an, wenn wir an einen Bach kommen.«
»Wir sind an einem Bach.« Ich zeigte zu den graugrünen Sträuchern hinunter. »Katzenkrallen wachsen nur dort, wo es nass ist. Da dürfte es mindestens ein Rinnsal geben. Es ist zwar mühsam, sich durch die Büsche zu schlagen, aber möglich. Für heute Abend haben wir noch genug Wasser in den Fässern, aber morgen früh müssen wir sie auffüllen.« Ich schaute zum Himmel auf. »Es sieht sogar ein bisschen nach Regen aus, aber meistens gibt es auf dieser Seite des Gebirges nur Hagel und Gewitter.«
Bei der Aussicht auf Gewitter verfinsterte sich Kirans Gesicht, und er musterte die Wolken. »Hat man das hier oft?«
Ich zuckte die Achseln. »Ja, nur dauert es gewöhnlich länger, bis sich Sturmwolken gebildet haben. Der letzte Sturm ist erst vier Tage her. Um diese Jahreszeit liegen sonst ein oder zwei Wochen dazwischen. Aber das weiß man nie. Die Südländer unter uns behaupten sicher schon, dass uns der Fluchhabicht Pech gebracht hat.«
Kiran schaute besorgt, was mich überraschte. Die meisten Städter sehen in Blitzen bloß ein Feuerwerk, wie Sechaveh es an Feiertagen bei den Magiern bestellt. Durch die vielen Schutzzauber auf den Türmen schlägt nie ein Blitz in der Stadt ein. Im Gebirge ist das anders, aber die meisten wissen das nicht.
»Angst, getroffen zu werden? Ist unnötig. Der Blitz schlägt immer am höchsten Punkt ein, und wir sind weit unterhalb des Kammes.«
»Gut zu wissen«, sagte er, doch an seiner Miene änderte sich nichts.
»Reiten wir zurück zu unserem Wagen und helfen Harken beim Abdecken.« Er folgte mir, als ich am Zug entlanggaloppierte, schaute aber immer wieder zum Himmel auf, wenn er glaubte, dass ich nicht hinsah.
KIRAN
Kiran hielt seine Ecke des Öltuchs krampfhaft fest, als eine starke Bö es ihm aus den Händen reißen wollte. Er war dankbar, dass man ihn nicht aufgefordert hatte, beim Festbinden zu helfen, während Cara, Jerik und Dev das Öltuch über die Wagenladung spannten. Er hatte
Weitere Kostenlose Bücher