Die Chroniken von Ninavel – Die Blutmagier
Kiran, während wir am Schluss des Zuges um eine weitere staubige Biegung ritten. »Hast seitdem kaum zwei Worte gesprochen.«
»Mir geht’s gut.« Kiran hielt den Kopf gesenkt, die Schultern steif. »Es ist nur so heiß.«
Das stimmte allerdings. Die Mittagssonne brannte gnadenlos und konnte einem das Hirn zu Matsch kochen. Doch gestern hatte ihn das auch nicht gehindert, eine Frage nach der andern zu stellen.
»Na, dann hab ich eine gute Nachricht für dich: Wir haben die Silberaderschlucht erreicht.« Ich zeigte nach vorn, wo die Straße die Salbeisträucher hinter sich ließ, um zwischen nackten Felswänden zu verschwinden. »Da ist es etwas kühler. Und wir sind den verfluchten Sand los.«
»Oh, gut.« Kirans Blick blieb auf seinen Sattelknauf gerichtet.
Solange er keine Gehirnerschütterung davongetragen hatte, konnte er meinetwegen schweigen wie ein Sandhaufen. Obwohl mir eine angenehme Unterhaltung recht gewesen wäre, nachdem ich mir stundenlang wegen Pello und seinem Amulett den Kopf zerbrochen hatte.
Der Rote Dal hatte mir eine ganze Menge schmutziger Kniffe beigebracht, mit denen sich Amulette unwirksam machen ließen, und für die ausgeklügeltsten brauchte man nicht mal mit Magie behaftet zu sein. Allerdings setzten sie alle voraus, dass man das Ding vor sich liegen hatte. Ein gerissener Mann wie Pello dürfteseine Amulette mit starken Schutzzaubern vor neugierigen Augen verbergen. Vermutlich hätte ich seinen Wagen tausend Mal durchsuchen können, ohne das Flüsteramulett zu finden. Und mir fiel nichts ein, wie ich für Pello einen Unglücksfall arrangieren könnte, ohne auch andere in Gefahr zu bringen. Vielleicht hatte Jylla doch recht und Sethan hatte mich weich gemacht. Jedenfalls sperrte ich mich dagegen, unschuldige Leute um die Ecke zu bringen, nur weil mir das einen Vorteil verschaffte.
Ich seufzte, als meine Stute den steinigen Anstieg zum Eingang der Schlucht hinauftrappelte. Es musste einen Weg geben, Pellos Schutzzauber zu durchbrechen. In meiner behafteten Zeit hatte ich gelernt, wie weit man mit ein bisschen Findigkeit kommen kann. Ich würde es nur richtig anstellen müssen.
In der Schlucht lagen überall Felsbrocken, und die hohen Steilwände verstellten den Blick auf die Gipfel ringsum. Beim vertrauten Anblick der ehrfurchtgebietenden Felswände hellte sich meine Stimmung beträchtlich auf. Selbst Kiran wurde etwas munterer und bestaunte die Höhe, statt auf den Sattelknauf zu starren.
Als wir uns die Nordsteigung hinaufwanden, hallte der Schrei eines Fluchhabichts durch die Schlucht. Ich drehte mich zu Kiran um, ob er den Kopf einzog oder nach einem Amulett griff. Sein Akzent … Ich hatte mal eine Gruppe kaithanischer Kaufleute beschattet, die tief aus dem Süden gekommen waren. Deren Sprechweise kam noch am nächsten an Kirans sonderbare Färbung der Vokale heran. Und Südländer waren enorm abergläubisch. Varkever, Sulaner, Kaithaner … selbst jene, die sich über den Glauben an die Dämonenscharen lustig machten, trugen Teufelsamulette und wurden blass, wenn sie einen Fluchhabicht sahen.
Kiran dagegen schaute bloß neugierig zu der großen schwarzen Silhouette auf. »Was für ein Vogel ist das? Einen so großen habe ich noch nie gesehen.«
Aha. In der Stadt waren sie selten. Ich hatte mal welche in der Nähe von Metzgerläden und Schlachthöfen beobachtet, wo sie auf Fleischabfälle aus waren, aber Nobelleute gingen nicht in solche Viertel, da ihre Diener das Fleisch für sie kauften.
»Ein Fluchhabicht«, sagte ich. »Ein Aasfresser. Manche behaupten, dass die Seelen von Teufeln in ihnen wohnen, die Shaikar aus ihrer Hölle verbannt hat, und dass ihr Schrei eine Todesbotschaft ist. Die Hälfte unserer Leute wird sich gerade an ihr Teufelsamulett gegriffen haben.«
»Teufelsamulett?« Kiran sah mich von der Seite an, als fragte er sich, ob das ein Witz sein sollte. »Aber Teufel gibt es nur im Märchen. Was sollte so ein Amulett bewirken?«
Ich schnaubte. »Gar nichts. Das ist reine Geldschneiderei. Die Amuletthändler hauen ein paar Kupferschleifen zusammen, stechen ausgefallene Sigilla rein und verscherbeln sie an die abergläubischen Gimpel, die nicht merken, dass die Dinger keine Magie in sich haben.«
So abergläubisch die Südländer sind, sie sind auch gute Geschichtenerzähler. Ihr Glücksgott ist Khalmet, und ihnen zufolge hat er eine Menschenhand und eine Skeletthand. Schlägt er einem mit der Menschenhand auf die Schulter, hat man Glück; tut
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