Die Chronolithen
entschieden. Sie preschten in ihren kugelsicheren Vans über den gestürzten Zaun, hatten dieses atemberaubende Bild im Kasten und waren bestimmt schon auf Sendung damit: der gigantische neue Kuin von Wyoming. Der unübersehbare Beweis für unser schmähliches Versagen.
Ray sagte: »Komm, wir bringen Sue in den Wagen.«
Sue hatte aufgehört zu heulen, starrte aber wie gebannt auf den Chronolithen. Ray stützte sie. Sie flüsterte: »Da stimmt doch was nicht…«
»Da stimmt eine ganze Menge nicht. Komm jetzt. Wir müssen weg hier.«
Sie schüttelte Rays Hand ab. »Nein, den Chronolithen meine ich. Die Werte kleben an der Decke. Ich brauche einen Sextanten. Und eine Karte. Im Wagen ist eine topografische Karte, aber – Hitch!«
Hitch kam zurück.
»Ich brauche einen Sextanten! Fragen Sie einen Ingenieur!«
»Was brauchen Sie?«, fragte Hitch.
»Einen Sextanten!«
Hitch forderte Ray auf, den Wagen zu starten, holte einen Digitalsextanten samt Stativ aus dem Vermessungswagen und eilte damit zurück. Ungeachtet der Windböen brachte Sue das Gerät in Stellung. Sie kritzelte Zahlen in ihr Notizbuch. Ray sagte ruhig, aber bestimmt: »Ich glaube nicht, dass das noch wichtig ist.«
»Was?«
»Messungen vorzunehmen.«
»Ich mache das nicht zum Spaß«, sagte sie hitzig, doch beim Zusammenklappen des Stativs erlitt sie einen Schwächeanfall – Ray konnte sie auffangen und wir trugen sie zum Wagen.
Ich pflückte ihr Notizbuch aus dem eisigen Morast.
Hitch fuhr, derweil Ray und ich ihr ein Kissen unter den Kopf schoben und sie zudeckten. Die Soldaten wollten uns aufhalten. Eine Wache mit Gewehr und nervöser Miene bückte sich ans Fenster und funkelte Hitch an: »Sir, ich kann nicht für Ihre Sicherheit garantieren…«
»Okay«, sagte Hitch, »verstehe«, und gab Gas.
Lebenswichtig für uns – vor allem aber für Sue – war es, ein gutes Stück Entfernung zwischen uns und diesen Ort zu bringen. Auf unbefestigten Straßen brauste Hitch über Land; solche Straßen endeten meist an einer verfallenen Ranch oder einer längst ausgetrockneten Viehtränke. Keine vielversprechende Route. Doch Hitch hatte ein Faible für solche Routen.
Kälteresistenz hin oder her, der Motor hatte den thermischen Schock nicht schadlos überstanden. Er schüttelte und rüttelte schon eine Zeit lang, als bei Einbruch der Dunkelheit ein Blocksteinschuppen mit einem primitiven Blechdach in Sicht kam. Hier machten wir Halt, nicht weil der Schuppen auch nur im Entferntesten einladend wirkte – ungezählte Male hatte es durch die leeren Fenster geregnet, Generationen von Feldmäusen hatten hier genistet –, aber er machte uns aus der Ferne unverdächtig und schützte den Wagen vor fremden Blicken. Und wir hatten auch schon ein paar Meilen zurückgelegt.
Hinter der jetzt fernen, aber immer noch dominierenden Gestalt des Kuin von Wyoming ging die Sonne unter, der Wind frischte auf und kämmte durchs wilde Gras. Da es nichts mehr zu tun gab, kauerten wir im Wagen und versuchten zu schlafen. Der Erfolg blieb nicht aus. Wir waren alle erschöpft. Auch Sue, die sich rasch von ihrem Schwächeanfall erholt hatte und unterwegs ziemlich munter gewesen war.
Sie schlief die Nacht durch und war beim ersten Tagesschimmer auf den Beinen.
Nächster Morgen. Hitch öffnete den Motorraum und ließ das eingebaute Diagnoseprogramm laufen. Ray Mosely blinzelte bei dem Krach, zog die Knie an und schlief weiter.
Ich wachte hungrig auf, blieb hungrig (wir hatten nur Notrationen dabei) und ging an der verwitterten, schorfigen Wand des Schuppens vorbei zu der Stelle im Grasland, wo Sue erneut den Sextanten in Stellung gebracht hatte.
Das Vermessungsgerät zielte auf den fernen Chronolithen. Ausgebreitet zu ihren Füßen lag eine topografische Karte, die vier Ecken mit Steinen beschwert. Ein frischer Wind zauste ihr Kraushaar. Ihre Kleidung war verdreckt, und die gewaltige Brille verschmiert; aber sie brachte sage und schreibe ein Lächeln zustande, als sie mich bemerkte.
»Morgen, Scotty«, sagte sie.
Der Chronolith war eine Eissäule vor dem dunstblauen Horizont. Er fiel auf, wie es unpassende oder unerhörte Dinge nun mal an sich haben. Der Kuin von Wyoming stand auf seinem Sockel und blickte gen Osten, ziemlich genau in unsere Richtung.
Als hätte er uns auf dem Kieker, ging es mir durch den Kopf.
Ich bemühte mich, nicht ironisch zu klingen: »Gibt es Neuigkeiten?«
»Ja, eine Menge.« Sie sah mich an. Ihr Lächeln war so sonderbar –
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