Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Chronolithen

Die Chronolithen

Titel: Die Chronolithen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
erlosch.
    »Volltreffer. Ein Generator«, hörte ich Hitch sagen und jemand heulte: »Scheiße, wir sind geliefert!«
    Ich konnte Sue nicht sehen – ich sah überhaupt nichts. Es war stockfinster. Im Bunker waren fast vierzig von uns zusammengepfercht hinter raffinierten Erdbefestigungen.
    Unser Reservegenerator hatte offensichtlich versagt. Die Kontrollleuchten der Elektronik waren batteriegepuffert, gaben aber zu wenig Licht ab. Vierzig Menschen in einem dunklen, allseits geschlossenen Raum. Ich stellte mir den Ausgang vor, eine Stahltür, zu der ein paar Betonstufen hinaufführten, vielleicht einen Meter von mir entfernt – ich legte mir die Richtung zurecht.
    Und dann – kam der Chronolith.
    Er langte tief ins Grundgestein.
    Ein Chronolith absorbiert Materie und verdrängt sie nicht; doch der Kälteschock sprengt alle feuchtigkeitsführenden Adern und jagt damit eine Druckwelle durch die Erde… Der Boden schien sich zu heben und zu senken. Diejenigen unter uns, die keinen Halt fanden, fielen zu Boden. Alle schrien, ich glaube nicht, dass einer nicht geschrien hat. Ein schreckliches Geräusch, viel schlimmer als jeder physische Schaden, der entstand.
    Die Kälte nahm zu. Das Gefühl wich aus meinen Fingerspitzen.
    Es war einer von unseren Ingenieuren, der die Nerven verlor und sich den Weg zur Tür bahnte. Ich denke mal, alles, was er brauchte, war Tageslicht – und zwar so dringend, dass seine Vernunft keine Chance hatte. Ich war ihm so nahe, dass ich ihn im vagen Schimmer der vielen Konsolen erkennen konnte. Er fand die Stufen, stürzte sich auf allen vieren hinauf, packte den Hebel – der Hebel muss entsetzlich kalt gewesen sein – der Mann schrie noch, als er sich mit seinem ganzen Gewicht darauf warf. Der Hebel gab ruckartig nach, und die Tür fegte nach außen.
    Kein blauer Himmel, statt seiner kreischende, wallende Vorhänge aus Staub.
    Der Ingenieur taumelte hinaus. Wind und Sand und Graupeln schlugen herein. Hatte Sue mit einer so wüsten Ankunft gerechnet? Wahrscheinlich nicht – die Journalisten, die sich östlich von uns postiert hatten, mussten inzwischen am Boden herumkriechen. Und ich bezweifelte, ob es auf dem Felsen noch irgendjemanden gab, dem nach Schießen zumute war.
    Der thermische Schock hatte seinen Höhepunkt erreicht, aber unsere Körpertemperatur fiel immer noch. Es ist schon ein komisches Gefühl. Kalt, ja, unbeschreiblich kalt, aber so träge, trügerisch, einlullend. Ich zitterte unter meiner überforderten Schutzkleidung. Das Zittern lud zum Schlafen ein.
    »Bleibt im Bunker!«, brüllte Sue von irgendwo tief im Grabensystem hinter mir. »Im Bunker sind wir am sichersten! Scotty, mach die Tür zu!«
    Doch nur wenige Ingenieure und Techniker befolgten ihren Rat. Die anderen stürzten an mir vorbei in den kreischenden Wind hinaus, liefen – oder besser – tanzten und stolperten in Zeitlupe auf die geparkten Automobile zu.
    Einigen gelang es, einzusteigen und den Motor zu starten. Diese Fahrzeuge waren gegen den Kälteschock getrimmt, doch sie brüllten wie verwundete Tiere, als sich die Kolben durch die Zylinder fraßen. Sturmböen hatten den Zaun entwurzelt und die Zivilfahrzeuge unseres Konvois verschwanden eins ums andere im tobenden Sturm.
    Westlich von uns, da wo der Chronolith sein musste, war nichts zu sehen als eine Wand aus Nebel und Staub. Ich stemmte mich die Stufen hinauf und zog die Tür ins Schloss. Am eiskalten Hebel klebte Haut. Sie stammte nicht nur von mir.
    Sue fand ein paar batteriegespeiste Lampen und schaltete eine nach der anderen ein. Etwa ein Dutzend von uns waren noch im Bunker.
    Kaum dass wir einander sehen konnten, sah ich, wie Sue gegen einen der inaktiven Telemetrieapparate sackte. Ich schwamm im Freistil durch den Raum und hätte sie fast umgerissen. Ihre Haut war entsetzlich kalt (und meine bestimmt auch). Ray stand ganz in der Nähe, hielt aber die Augen geschlossen und schien nur noch periodisch bei Bewusstsein. Hitch hockte an der Tür, wacher denn je.
    Sue legte den Kopf an meine Schulter.
    »Es hat nicht funktioniert, Scotty«, flüsterte sie.
    »Darüber denken wir später nach.«
    »Aber es hat nicht funktioniert. Und wenn es nicht funktioniert hat…«
    »Psch.«
    Der Chronolith war gelandet. Der erste Chronolith auf amerikanischem Boden… und kein kleiner, nach den Nebenwirkungen zu urteilen. Sue hatte Recht. Wir hatten versagt.
    »Aber Scotty«, sagte sie konfus, und ihre Stimme klang unendlich müde, »wenn es nicht funktioniert

Weitere Kostenlose Bücher