Die Clans von Stratos
gesprungen. Diesen Sprung lebend zu überstehen, war an sich schon eine Leistung, aber dann auch noch zu dem Segler zu schwimmen und gerade rechtzeitig in den Kampf einzugreifen… allein der Gedanke ließ Maia schon vor Ehrfurcht erstarren.
Ehe Maia von ihrem Sturz ins Wasser zurückkehrte, hatte die letzte Verstärkung das Blatt gewendet und die blutige Patt-Situation sich doch noch in einen Sieg verwandelt.
Nun schufteten zehn der ursprünglichen Ausgesetzten zusammen mit einigen gut bewachten Gefangenen, um das erbeutete Schiff wieder seetüchtig zu machen. Mit verbundenem Gesicht und bandagiertem Arm kletterte Brod den zerbrochenen Mast hinauf, trennte Abfall von noch benutzbaren Tauen und Segelstücken und entfernte erstere mit einer kleinen Axt.
Maia holte Leinen über die Reling ein, als Naroin zu ihr trat und sie leise auf die Schulter klopfte. Die Polizistin trug eine zusammengerollte Karte bei sich, die sie jetzt mit beiden Händen ausrollte. »Bekommst du mit diesem Spielzeug, daß Pegyul dir geschenkt hat, jemals eine einigermaßen korrekte Längenmessung?«
Maia nickte. Zwar war sie inzwischen zweimal im Meer geschwommen und befürchtete das Schlimmste, aber vor zwei Tagen noch hatte sie mehrere gute Messungen vom Gipfel der Gefängnisinsel gemacht. »Sehen wir mal… wir müssen ungefähr…« Sie beugte sich über die Karte, die eine langgestreckte Gruppe von zerklüfteten Inseln zeigte, durchzogen von rechtwinkligen Koordinaten. »Hol mich der Teufel. Wir sind in den Drachenzähnen!«
»Ja. Was sagst du dazu«, antwortete Naroin. Die Inseln, die man Drachenzähne nannte, waren eine Legende. »Ich kann dir später ein paar interessante Dinge über sie erzählen. Aber jetzt brauchen wir erst mal die Länge. Wie steht’s, Maia?«
»Na gut.« Maia tippte mit dem Finger auf die Karte. »Hier. Sie müssen uns auf der… ähm… auf der Grimké-Insel gelassen haben.«
»Hmm. Der Form nach hab ich mir das schon gedacht. Dann ist das da drüben« – Naroin deutete nach Westen auf eine nebelverhangene Erhebung – »De Gournay. Und direkt daneben im Norden wäre der beste Weg in tiefere Gewässer. In gut zwei Tagen sind wir auf einer normalen Schiffsstraße.«
Maia nickte. »Richtig. Von da braucht man nur noch einen Kompaß. Hoffentlich schafft ihr es.«
Naroin blickte auf. »Was? Du kommst nicht mit?«
»Nein. Ich nehme das Kleinboot, wenn du nichts dagegen hast. Ich habe hier noch was zu erledigen.«
»Renna und deine Schwester.« Naroin nickte verständnisvoll. »Aber du weißt doch gar nicht, wo du sie suchen sollst!«
Maia zuckte die Achseln. »Brod kommt mit mir. Er kennt das Männer-Reservat bei Halsey Beacon. Vielleicht finden wir dort einen Hinweis auf das Versteck, in das sie Renna gebracht haben.« Die unangenehme Tatsache, daß Leie zu seinen Bewacherinnen gehörte, ließ sie unerwähnt. Verlegen trat sie von einem Fuß auf den anderen. »Eigentlich könnten wir mit der Karte ja mehr anfangen, da ihr ja sowieso in ein paar Stunden in einer Gegend seid, die nicht mehr darauf ist…«
»Außerdem sind noch andere Gefangene da unten. Klar, nimm sie ruhig.« Naroin rollte sie zusammen und drückte sie Maia unwirsch in die Hand. Ganz eindeutig überspielte sie Gefühle, die denen ähnelten, die sich momentan auch in Maias Brust breitmachten. Es war schwer, eine Freundin zu verlassen, jetzt, da sie endlich eine hatte. Doch es wurde Maia warm ums Herz, als sie merkte, daß es Naroin ebenso ging.
»Natürlich mußt du auch damit rechnen, daß Renna gar nicht mehr auf der Inselgruppe ist«, gab Naroin zu bedenken.
»Stimmt. Aber wenn es so wäre, warum haben sich die Piraten dann solche Mühe gegeben, uns loszuwerden? Selbst als Zeugen wären wir keine große Bedrohung, wenn sie sich in eine unbekannte Richtung davongemacht hätten. Nein, ich bin fest überzeugt, daß Renna und Leie ganz in der Nähe sind. Es muß so sein.«
Schweigen senkte sich über die beiden Frauen, durchbrochen nur von dem Hämmern, Kratzen und Hacken um sie herum. Dann sagte Naroin plötzlich: »Wenn du je in eine große Stadt kommst, geh zu einer Com-Einrichtung und wähle APG fünf-vier-neun-sechs. Melde ein R-Gespräch an. Und sag deinen Namen.«
»Aber was ist, wenn du nicht… wenn du nie… ich meine…« Maia brach ab. So etwas konnte sie einfach nicht taktvoll formulieren. Aber Naroin lachte nur, als wäre sie erleichtert, endlich einen Grund dafür zu haben.
»Was ist, wenn ich es nicht schaffe? Dann
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