Die Clans von Stratos
erzähl bitte meiner Chefin, wo du mich zuletzt gesehen hast. Und alles andere, was du getan und beobachtet hast. Und besteh darauf, daß ich gesagt habe, du hast einiges bei mir gut. Dann helfen sie dir vielleicht wenigstens, eine gute Arbeit zu finden.«
»Hmm. Danke. Solange die Arbeit nichts mit Kohlen zu tun hat…«
»Oder mit Salzwasser!« Naroin lachte und breitete ihre zierlichen, starken Arme aus, um Maia zu umarmen.
»Viel Glück, Fräuleinchen. Laß dich nicht wieder ins Gefängnis stecken. Sieh zu, daß du nicht mehr so oft eins über den Schädel kriegst. Und hör auf mit dem Ertrinken, ja? Wenn du dich daran hältst, kann dir nicht viel passieren, da bin ich ganz sicher.«
DRITTER
TEIL
Logbuch des Peripatetikers:
Mission Stratos
Ankunft plus 53.369 Megasekunden
Heute habe ich den Erbinnen von Lysos alles über das Gesetz erzählt. Ein Gesetz, an dessen Erlaß sie nicht beteiligt waren. Dem sie nichts hinzufügen und das sie nicht übertreten können.
Die versammelten Savanten, Ratsfrauen und Priesterinnen lauschten meinem Vortrag in steinernem Schweigen. Obgleich ich einige von ihnen bereits persönlich informiert hatte, spürte ich doch den Schock und die Ungläubigkeit hinter vielen ausdruckslosen Gesichtern.
»Nach Jahrtausenden haben wir Menschen des Phylum die harte Lektion der Speziation begriffen«, sagte ich ihnen. »Bei dieser sogenannten Artbildung werden Angehörige der gleichen Stammart durch große Entfernungen getrennt und verlieren so das Gefühl für ihr gemeinsames Erbe. Isolierte menschliche Populationen treiben auseinander und kommen erst viel später im Strom der Zeit wieder an die Oberfläche, durch Mutationen bis zur Unkenntlichkeit verwandelt. Dabei geht weit mehr verloren als nur die kollektive Erinnerung.«
Mein Publikum lauschte beunruhigend grimmig und verbissen. Doch Iolanthe und die anderen hatten mir geraten, offen zu sprechen und nicht Zuflucht bei diplomatischen Euphemismen zu suchen, also erzählte ich von den Dokumenten meiner Organisation – eine Litanei von Mißgeschicken und Greueln, von katastrophalen Mißverständnissen und Tragödien, heraufbeschworen durch eine viel zu enge Weltsicht. Von selbst gerechten ethnischen Aufwallungen und tödlichen Rachefeldzügen, bei denen beide Seiten von ihrem Recht überzeugt waren (und entsprechend mit Beweisen bewaffnet). Von Ausbeutung, die schlimmer war als die, die wir in grauer Vorzeit auf der Erde über Bord geworfen zu haben glaubten. Noch schlimmer deshalb, weil es sich bei den Übeltätern um nahe Verwandte handelte, die sich gegenseitig nicht mehr zu kennen behaupteten und auch nicht bereit waren zuzuhören.
Diese Tragödien haben schließlich das Gesetz hervorgebracht.
»Bislang habe ich beschrieben, auf welche Weise sich ein erneuter Kontakt positiv auswirken könnte. Austausch in Kunst und Wissenschaft, gigantische Bibliotheken, in denen die Lösungen zu zahllosen Problemen greifbar sind. Viele von euch haben mich angesehen und gedacht: ›Na ja, er ist ja nur ein einzelner Mann. Um diese Vorteile zu bekommen, können wir gelegentlich einen Besuch von einem Gesandten ertragen. Wir nehmen uns das aus dem Füllhorn, was wir gebrauchen können, ohne unsere wohlgeordnete Lebensform zu stören.‹
Ich habe in der Ratshalle ein holographisches Bild hervorgerufen, eine glitzernde Schneeflocke, so breit wie ein Planet, so dünn wie ein Baum, das Licht von Galaxien widerspiegelnd.
Heute verbindet noch eine zweite Organisation die Welten des Phylum, eine, die noch wichtigere Dienste leistet als die Peripatetiker. Etwas, das manche von euch bestimmt hassen werden wie eine bittere Medizin. Die großen Eisschiffe bewegen sich zwischen zehntausend Sonnen – viel langsamer als die Botschafter, wie ich einer bin. Aber sie verfolgen unerbittlich ihren Weg. Sie tragen Stabilität in sich. Sie bringen den Wandel.«
Eine Perkinitin sprang auf. »Das werden wir nicht dulden. Wir werden kämpfen!«
»Tut, was ihr nicht lassen könnt. Jagt das erste Eisschiff in die Luft oder die ersten zehn, ohne an die zahllosen Unschuldigen zu denken, die ihr so zum Tode verurteilt. Manche abgestumpften Welten haben Hunderte von Hibernifrachtern zerstört und am Ende doch kapituliert.
Versucht, was ihr wollt. Das Blutvergießen wird euch verändern. Schuld und Scham werden eure Kinder oder eure Enkel von dem Pfad abbringen, den ihr für sie gewählt habt. Selbst passiver Widerstand wird irgendwann erlahmen, wenn
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