Die Clans von Stratos
Brod sorgsam auswich, während er mit der Hand vor den anderen Sensoren herumwedelte. Rasch verwandelte sich der heiße Strom und wurde eiskalt. »Siehst du, Maia. Genau, was wir brauchen. Der ganze Luxus, den wir von daheim gewohnt sind.«
Du vielleicht. Maia dachte an ihre letzte lauwarme Dusche in Grange Head, penibel rationiert aus Tonröhren und einem schmalen Brausenkopf. Damals war das für sie ein großer Luxus gewesen. In Port Sanger war die Lamatia-Feste stolz auf ihre modernen Sanitäranlagen. Aber das hier, mit all den blitzenden Flächen, den hellen Lichtern und seltsamen Gerüchen – das war regelrecht erschreckend. Sogar Brod, der in den aristokratischen Kreisen des Landungskontinents aufgewachsen war, behauptete, noch nie derart verschwenderische Spiegel- und Keramikwände gesehen zu haben, die anscheinend alle nur der einfachen Körperpflege dienten.
»Jungs zuerst«, sagte Maia, der Tradition folgend, und bedeutete ihm voranzugehen. »Der männliche Gast hat den Vortritt.«
»Aber wir sind in einem Reservat – zumindest muß es mal eins gewesen sein –, demzufolge bist genaugenommen du der Gast«, widersprach Brod. »Na los, Maia. Ich sehe solange nach, ob ich etwas finde, womit ich meine Füße verbinden kann.«
Maia verzog das Gesicht, weil sie so rasch ausmanövriert worden war, aber es hatte keinen Sinn, sich weiter zu streiten. Sie mußten beide dringend ihre Wunden reinigen, um einer Entzündung vorzubeugen. Später konnten sie sich dann um alles andere kümmern, beispielsweise um etwas zu essen.
»Na gut, bleib aber in Rufweite, ja?« sagte sie, während sie die Hand zu den Sensoren ausstreckte. »Falls ich in Schwierigkeiten komme.«
Aber sie lernte schnell, wie sie die Hand vor den dunklen Kreisen in der Wand bewegen mußte. Sie stellte die Temperatur auf mittlere Wärme ein, den Strahl auf ein Mittelmaß zwischen Nebel und Nadelguß. Dann trat sie unter die Düsen und vergaß alles andere unter einer Flut körperlichen Wohlbehagens.
Alles außer einem triumphierenden Gedanken.
Diese Mörder und Verräter mit ihren Gewehren glauben, ich bin tot. Wahrscheinlich glaubt das sogar Leie. Aber ich bin nicht tot. Und Brod auch nicht – ganz im Gegenteil.
Sie war sicher, daß keiner ihrer Feinde je etwas annähernd so Luxuriöses erlebt hatte. Selbst als sie die Sandkörner aus ihren Wunden schrubbte und pulte, war der Schmerz ein kleiner Preis für diese Wohltat.
Vor einem Spiegel, der breit genug für zwölf Leute gewesen wäre, befingerte Maia ihre ungepflegten Haare, die seit Wochen verfilzt, schmutzig und ungekämmt herausgewachsen waren. Aber es war tatsächlich nichts mehr von der Farbe übrig, die ihre Schwester aufgetragen hatte, während Maia sich hilflos gefesselt und geknebelt auf der Draufgänger umhergewälzt hatte. Ich sollte alles abschneiden, beschloß sie.
Brod sang lauthals unter der Dusche. Inzwischen überschlug sich seine Stimme wesentlich seltener, vielleicht war auch die Resonanz des gefliesten Duschraums so hervorragend – zweifellos ein Wunder der Technik, das zu irgendeinem längst vergessenen geheimnisvollen Zweck in diesen Reinigungsraum eingebaut worden war. Neben sich sah Maia die blutige Nadel und den Faden, mit dem der Junge die schlimmsten Wunden zusammengenäht hatte. Sie hatte ihn nicht einmal schreien gehört.
Das kleine Medizinkästchen, das er hinter einem der Spiegel gefunden hatte, war leider sehr spärlich bestückt. Eigentlich ein Glück, denn es war klein genug, um bei der Evakuierung des Bauwerks übersehen zu werden. Sie hatten ein paar versiegelte Verbände gefunden, die beim Aufmachen zischten und einen seltsamen, extrem neutralen Geruch verströmten, dazu ein kleines Fläschchen mit noch immer stechend riechendem Desinfektionsmittel, das sie lieber unberührt ließen. Und schließlich eine Schere, die Maia jetzt zur Hand nahm, nachdem sie sich um alles andere gekümmert hatte, und zögernd ein paar Strähnen abschnippelte. Ansonsten hatten sie nichts Nützliches gefunden.
Hinter ihr verstummte jetzt das Wasserrauschen, und Maia hörte, wie heiße Luft aus den Düsen über den Körper ihres Freundes strömte. Brod jauchzte vor Vergnügen – anscheinend war er, wenn er sich freute, ebenso geräuschvoll, wie er Schmerzen stoisch ertrug. »He, Maia! Wir könnten doch mit unseren Kleidern das gleiche machen. In fünf Minuten sind sie sauber und trocken. Wirf mir deine rein.«
Maia bückte sich, hob ihre schmutzige Tunika und die
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