Die Containerfrau
nicht so verflucht kalt wäre. Und ein so offensichtlicher Mord. Den sie, die Polizei, bisher noch nicht hatten klären können. Stattdessen sperren sie den Tatort ab, sperren den Hafen ab, verbieten Laden und Löschen, haben die höflich fragende Hafendirektion am Hals und können den armen Suffkumpel nicht finden, der bei der Messerfuchtelei solches Pech gehabt hat. Der »Türke«, ein guter alter Bekannter aus Østerdalen, warum haben sie ihn noch nicht zu Hause besucht? Oben im Wald, unter einem Staudamm, da haust er. Hat sich einen Bau angelegt, wie ein Biber. Der »Türke« ist Messerexperte, ernährt sich von der Produktion von Messern, genauer gesagt, von Messergriffen. Schnitzt Holz von Birken zurecht, von Erlen, Ebereschen und ab und zu auch von den unter Naturschutz gestellten Parkbäumen. Den hätten sie aufsuchen können. Aber er wohnt zu weit weg, die Jungs von der Wache haben sicher Angst davor, sich im großen bösen Wald zu verirren. Und Sundt, ihr Chef Sundt, der zu fast allen Jahreszeiten dort umherstapft, Sundt sagt, er sagt doch wirklich, ihre Behauptung, der »Türke« hause oben im Wald, unter dem Damm, sei der pure Unfug. Er wisse das genau. Der Waldläufer Sundt, der nicht einmal registriert, ob er über Moos, Tannennadeln oder Moor läuft. Er läuft. Während sie hier stehen, nun schon am zweiten Tag, hinter einer polizeilichen Sperre aus vom Wind zerzausten Plastikbändern, und eine Kreidezeichnung auf dem Asphalt anglotzen. Um den Mörder zu finden.
Kommissarin Anne-kin Halvorsen versetzt dem Hafenboden einen wütenden Tritt und geht auf einige Lagerschuppen zu. Sucht etwas, das Windschutz geben kann. Sie kann in Lee ebenso gut denken wie im Wind. Das kann sicher auch das Wesen, das jetzt auf sie zukommt. Mit krummen Knien kommt es um die Schuppenecke geschlichen, groß und braunschwarz und mit der Fähigkeit, Menschen mit Dreck am Stecken eine Höllenangst einzujagen. Ihr Stecken ist sauber. Sie geht in die Hocke. Und schon ist es bei ihr, leck-leck-leck, ehe der Besitzer diese regelwidrige Leckerei bemerkt und »Schluss!« befiehlt. Der Hund gehorcht und zieht seine Zunge zurück. Anne-kin richtet sich auf. Lächelt den Mann, der da vor ihr steht, verfroren an: »Aber Sæter, ich kann von den Liebeserklärungen deines Hundes doch nie genug kriegen!«
»Du hast ihn verwöhnt«, sagt darauf ihr Kollege. »Du mit deinen ›Leckerbissen‹.« Anne-kin zuckt mit den Schultern und schmuggelt dem Hund ein Bonbon auf die Zunge. Der Polizeihund wedelt mit dem Schwanz, sabbert, schmatzt. Und spuckt das Fisherman’s Friend sofort wieder aus. Schaut sie anklagend an. Dreht ihr den Hintern zu und will nicht mehr mit ihr spielen. Er kann des Fischers Freunde nicht leiden.
»Tut mir Leid, Garp«, sagt sie. »Ich dachte, ich hätte dir ein klebriges Smartie gegeben.« Der Hund nickt gnädig. Alle können sich irren. Nur darf es nicht zur Gewohnheit werden.
Sie suchen die Umgebung ein weiteres Mal ab. Es gibt so viele Spuren, so verdammt viele Spuren. Spuren vom Laden und Löschen, von Gabelstaplern, Gassi geführten Hunden und Liebespaaren. In irgendeiner Variante. Manche machen es mit Gummi, andere nicht. Spuren von allerlei nächtlichen Festen mit allerlei Gästen und allerlei vergessenen Gegenständen. Flaschen, die meisten unversehrt, Schals, schmutzige Kämme, Schokoladenpapier, Einkaufsnetze, Tabakspackungen. Das einzig »Frische« sind übrigens die leeren Flaschen und die Ta bakspackungen. Sie hatten es offenbar eilig, sind Hals über Kopf davongestürzt, hatten eine Scheißangst und flohen, ohne ihren Drehtabak zu retten. Übrigens liegen alle vergessenen Gegenstände auf der Wache, nur die Kreidestriche sind noch vorhanden. Das Einzige, was ihnen bleibt, sind jede Menge Kreidestriche und eine Hafendirektion, die immer saurer reagiert, die Umgebung wieder ihrem eigentlichen Zweck zuführen will: den Schiffen. Frachtern und Fischkuttern und Tankern und allem, was sonst noch etwas einbringt. Laden und Löschen, Aktivität. Nur keine Kreidestriche. Abgesperrt von den Plastikbändern der Polizei.
»He, Garp«, Anne-kin lächelt, der Hund schnüffelt an ihr herum. »Auch gerade zum Dienst erschienen?« Der Besitzer steht mit Vang zusammen, sie scheinen sich gegenseitig zu informieren, sie gestikulieren und nicken. Sehen ungeheuer beschäftigt aus. Dann fiept der Hund. Lässt den Schwanz sinken und umkreist zuerst seinen Besitzer. Keine Reaktion. Dann kommt er auf Anne-kin zu. Fiept
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