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Die Containerfrau

Die Containerfrau

Titel: Die Containerfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Smage
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Besuch sein, den der »Spatz« lieber nicht empfangen will. Die Leute, die sie in den Container geworfen haben, zum Beispiel. Wenn sie sich noch immer in Trondheim aufhalten, natürlich. Aber am Ende wird sie durchgelassen, die Frau in Weiß hat offenbar jemanden angerufen. Die Vorschrift ist klar: nur ganz kurz. Aber wenn sie behilflich sein, Kontakt zur Patientin bekommen kann, dann ist das nur gut so. Denn es war doch Kommissarin Halvorsen, die dabei war, als die Polizei die Frauen gefunden hat? Annekin nickt. Die im Krankenwagen dabei war und die Flaschen gehalten hat? Anne-kin nickt noch eifriger.
    »Ich hatte sogar ein wenig aktiven Kontakt zu ihr«, sagt sie. Die Krankenschwester lächelt, reißt sich aber schnell wieder zusammen. »Aber nur kurz«, sagt sie. »Und kein ›Verhör‹.«
    Anne-kin schüttelt den Kopf.
     
    Das Zimmer sieht nicht sonderlich »intensiv« aus. Es sieht aus wie ein ganz normales Einzelzimmer. Ein Bett, Nachttisch, Schrank, zwei Stühle, ein kleiner Tisch, ein kleines Bücherregal, in dem das Neue Testament liegt. Keine Blumen für die Patientin. Sie legt die Blumen auf den Nachttisch, sagt leise, »hello, it’s me, remember?«, zieht den Stuhl ans Bett. Keine Reaktion. Bis auf, vielleicht, das haarfeine Zucken der Augenlider.
    »Bist du wach«, fragt sie. »Are you awake?« Aber die Frau im Bett ist nicht »awake«, will nicht »awake« sein. Anne-kin mustert ihr Gesicht, ohne Schläuche und Klebeband und ungewaschene blonde Haare hätte sie Modell sein können. Für »the young, natural beauty-look«. Wenn diese Frau aus dem Ostblock stammt, mit dem ganzen Dreck, den diese Länder nach westlichen Informationen in die Umwelt schütten, dann hat ihre Haut das jedenfalls heil überstanden. Sie ist blass, na gut, was können wir sonst erwarten, aber sie leuchtet. Ist zart. Verlockend. Verlockt dazu, mit der Hand über ihre Wange zu streicheln, nur um zu spüren, wie weich-schön die ist. Hohe Wangenknochen, eine Wange geschwollen, die Stirn mit den vielen Schrammen sieht aus wie ein Waschbrett, dunkle Augenwimpern und gezupfte Brauen, schmales Kinn, rosa Mund, Babymund, Mädchenmund. Die ganze Frau ist so sehr Mädchen. Glatte, erlebnislose Unschuld. An der Oberfläche.
    »Armes Würstchen«, sagte Anne-kin und stützt sich mit der Hand aufs Bett. Sieht, dass eine Hand ein wenig unter der Decke hervorlugt. Eine schmale dünne Hand. Ringlos und zerkratzt. Verfärbt. Sie legt ihre Hand darüber und spürt, dass die andere zuckt. Immerhin ein Lebenszeichen, denkt Anne-kin und redet drauflos.
    »Ich hoffe, du fühlst dich jetzt besser, ich hoffe, du begreifst, dass du in Sicherheit bist, dass du weißt …« Sie klappt den Mund zu, ihr Geplapper ist nur Unsinn, Schwachsinn, norwegischer Schwachsinn mit Trondheimer Akzent. Ja, und? Trostworte sind international, Akzent hin oder her.
    »Spatz?«, flüstert sie. »Sag was, beweg ein Auge, einen Zeh, einen kleinen Finger, nur gib mir ein Lebenszeichen! Ich tu dir doch nichts, ich freue mich nur so schrecklich darüber, dass du noch lebst, verstehst du? Bitte. Please.« Schweigen. Nur das Tropfen irgendeines Behälters ist zu hören, nur das Biiep von etwas, das sie nicht sieht.
     
    Die Frau in Weiß kommt herein.
    »Keine Reaktion?« Das ist eher eine Feststellung als eine Frage. Anne-kin schüttelt den Kopf. Erwähnt das leise Zucken der Hand nicht.
    »Nein, nein. Dann gehen Sie jetzt lieber, Frau Halvorsen. Sie braucht Ruhe.« Anne-kin kichert in Gedanken. Ruhe! Was zum Teufel soll an Ruhe so gesund sein? Die Frau braucht eine, die bei ihr sitzt und auf Reaktionen besteht, die bei ihr sitzt und redet und redet und sie ins Leben zurückdrängt. Oder was immer es ist, aus dem der »Spatz« zu entfliehen versucht.
    »Bitte, gehen Sie jetzt«, sagt die Krankenschwester. »Sie ist müde, die Arme.« Müde, denkt Anne-kin. Sie hat Angst. Die Frau, die hier liegt, hat eine Sterbensangst. Nicht einmal geschlossene Augen und eine unsichtbare Wand mit der Aufschrift »lass mich in Ruhe« können ihre Angst verbergen. Eine Angst, die riecht, die ganz konkret ist. Sie liegt wie ein Nebel im Raum. Aber egal, sie wird gehen. Wird keine Szene aufführen, um hier bleiben zu dürfen, hier zu sitzen, die ganze Nacht, wenn es sein muss. Sie wird verschwinden. Wütend und resigniert packt Anne-kin ihre Tasche, achtet darauf, dass keine Zeitung herausfällt. Sie drückt ihre Visitenkarte in die Hand unter der Decke. Kritzelt rasch »Your friend« darauf. Und

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