Die Creeds: Wenn ein Herz nach Hause kommt (German Edition)
ist?
„Ja“, antwortete er. „Und jetzt werde ich zum Angeln fahren, glaube ich.“
Lachend und kopfschüttelnd sah sie ihm nach. Kaum war J. P. gegangen, tauchte Sheriff Tom Parker in der Tür zu ihrem Büro auf. Er war ein großer, schlanker Mann mit dunklen Haaren und einer für gewöhnlich recht ernsten Miene.
„Hi“, begrüßte er sie.
„Hi.“ Melissa lächelte ihn an. Sie und Tom waren alte Freunde, aber nicht mehr als das. Auf seine etwas raue Art war er durchaus gut aussehend, wenn auch ein wenig schüchtern. Vor Jahren hatte er sich von seiner Jugendliebe Shirleen scheiden lassen. Jeder in Stone Creek wusste, dass er hoffnungslos in Tessa Quinn verliebt war, seit sie die Sunflower Bakery betrieb – wirklich jeder wusste das, nur Tessa nicht.
„Ich wollte dich nur daran erinnern, dass Byron Cahill heute aus dem Gefängnis entlassen wird.“
Eine Gänsehaut lief über Melissas Rücken. Vor zwei Jahren war Cahill noch ein Teenager gewesen. Und eines Samstagnachmittags hatte er reichlich Drogen geschluckt und dazu erhebliche Mengen Alkohol konsumiert. In diesem Zustand hatte er die Idee, den Wagenschlüssel seiner Mutter zu stibitzen und eine Spritztour zu machen. Sie nahm allerdings ein jähes Ende – mit tödlichen Folgen für die fünfzehnjährige Chavonne Rowan auf dem Beifahrersitz. Als bei dem „geborgten“ Wagen in einer viel zu schnell genommenen Kurve ein Reifen platzte, durchbrach das Fahrzeug die Leitplanke und stürzte eine steile Klippe hinunter in den Stone Creek. Der Wagen knallte mit der Frontpartie auf das Flussbett, kippte um und ging unter. Zwei Angler retteten Byron aus dem Wrack. Er kam mit ein paar Schnittwunden und Prellungen davon, während Chavonne bei dem Aufprall ums Leben gekommen war.
Byron wurde festgenommen, als er das Krankenhaus in Flagstaff verließ, in das man ihn nach dem Unfall vorsorglich gebracht und ihm eine einwöchige Entgiftung verordnet hatte. Melissa hatte vor Gericht durchgesetzt, dass der junge Cahill nicht lediglich nach dem Jugendstrafrecht verurteilt wurde, auch wenn seine Mutter unter Tränen protestierte und beteuerte, er sei doch ein guter Junge, der nur manchmal ein wenig über die Stränge schlage. Doch Melissa hatte ihn die ganze Härte des Gesetzes spüren lassen.
Es war ein voller Erfolg für sie gewesen. Byron wurde wegen Totschlags mit bedingtem Vorsatz verurteilt und in ein Gefängnis nahe Phoenix gebracht, wo er seine Strafe absitzen musste – etwas mehr als achtzehn Monate.
Seine Mutter Velda Cahill, die Motelzimmer putzte und als Kellnerin arbeitete, um über die Runden zu kommen, ließ keine Gelegenheit aus, Melissa vorzuhalten, auf was der arme Byron alles verzichten musste, nur weil eine „arrogante O’Ballivan“ allen hatte zeigen wollen, dass man sich mit der neuen Staatsanwältin besser nicht anlegte.
Velda tat ihr leid, und darum hielt sie ihr im Gegenzug auch nie vor, worauf Chavonne Rowan alles verzichten musste – nämlich auf den Rest ihres Lebens. Ganz zu schweigen von Chavonnes Eltern, die den Verlust bis heute nicht verarbeitet hatten.
Tom ballte die Hand zu einer lockeren Faust und tippte mit den Knöcheln leicht gegen den Türrahmen, um Melissa auf sich aufmerksam zu machen, deren Gedanken durch das Geräusch prompt ins Hier und Jetzt zurückkehrten.
„Pass gut auf dich auf“, warnte er sie. „Wenn Cahill dich auch nur schief ansieht, sag mir Bescheid, und zwar sofort.“
Sie zwinkerte ein paarmal, dann brachte sie ein Lächeln zustande. „Ich glaube nicht, dass er tatsächlich nach Stone Creek zurückkehren wird. Es ist ja schließlich nicht so, als würde die Stadt zu seinen Ehren eine Parade veranstalten.“
Zwar versuchte Tom das Lächeln zu erwidern, aber es wirkte nicht überzeugend. „Ich glaube, Cahill ist der Typ, der wieder bei seiner Mutter einzieht und sich von ihr durchfüttern lässt, solange sie das mitmacht. Und du kennst ja Velda. Sie würde ihr armes, kleines Baby niemals in diese kalte, grausame Welt hinausschicken.“ Nach einer kurzen Pause klopfte er noch einmal gegen den Rahmen, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, und wiederholte: „Pass gut auf dich auf.“
„Das werde ich“, versicherte sie ihm. Sie hatte weder vor Byron Cahill noch vor irgendwem sonst Angst.
Tom zögerte einen Moment. „Apropos Parade …“
In der Zwischenzeit hatte Melissa sich einer ihrer Akten gewidmet und sah nun auf, als sie ihn reden hörte. Dabei merkte sie, dass sie Kopfschmerzen
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