Die Creeds: Wenn ein Herz nach Hause kommt (German Edition)
Überwindung kostete.
„Ich bin doch erst fünf Jahre und drei Monate“, antwortete er nach einer Weile auf Stevens Frage in der ihm eigenen, seltsam erwachsenen Art. „Es ist nicht zu spät, Rancher zu werden. Mein Leben hat doch gerade erst angefangen.“ Die Phase, wie ein typisches Kleinkind zu reden, hatte Matt einfach übersprungen. Bis weit nach seinem zweiten Geburtstag hatte er nicht einmal ansatzweise versucht, irgendetwas zu sagen, aber von da an waren nur noch vollständige Sätze über seine Lippen gekommen.
„Fünf Jahre und drei Monate?“, wiederholte Steven und zog grinsend eine Braue hoch. „Wenn du nicht so klein wärst, würde ich sagen, du machst mir was vor. Komm schon, gib es einfach zu: Du bist genau genommen längst Großvater und gibst dich bloß als Fünfjähriger aus.“
Der bislang eigentlich immer gut bei Matt angekommene Witz traf diesmal bei dem Jungen auf taube Ohren. Er hob nur die Schultern und seufzte tief. Dann lehnte er sich mit etwas mehr Druck gegen Stevens Seite.
„Fühlst du dich einsam?“, fragte Steven, nachdem er sich geräuspert hatte.
Matt nickte und sah ihn mit großen Augen an. „Ich brauche einen Hund“, erklärte er ernst.
Während er leise und zugleich erleichtert lachte, zauste Steven ihm die rabenschwarzen Haare. Ein Hund war ein Wunsch, den er erfüllen konnte. Bei vielem anderen dagegen hätte er passen müssen.
„Sobald das Haus fertig ist, fahren wir zum Tierheim und suchen uns einen Hund aus“, versprach er Matt.
„Gibt’s da auch Ponys?“
Die Frage erheiterte Steven. Matt versuchte aus der Zusage mehr herauszuholen, was in seinem Zustand wohl ein gutes Zeichen war.
Es war nicht das erste Mal, dass sie diese Unterhaltung führten. „Du kennst unsere Abmachung, Tex“, erklärte er dem kleinen Jungen in ruhigem Tonfall. „Bevor wir Pferde halten können, brauchen wir erst neue Zäune und eine neue Scheune.“
Wieder seufzte Matt. „Das kann aber lange dauern“, warf er ein, „denn du wirst ja jeden Tag in der Stadt arbeiten.“
Steven hatte die feste Absicht, sich in Stone Creek niederzulassen und zusammen mit seinem jungen Schutzbefohlenen ein normales Leben zu führen. In seinem Fall bedeutete „normal“, dass er werktags morgens irgendwo zur Arbeit erschien und acht Stunden lang einer Beschäftigung nachging, ob er das Geld nun brauchte oder nicht.
Es war ein langwieriger Kampf gewesen, die Highschool abzuschließen, vom nachfolgenden Jurastudium und dem Examen ganz zu schweigen. Eine frustrierende Menge an Lernstörungen hatte ihm in seiner Jugend das Leben zur Hölle gemacht. Und auch wenn er diese Störungen dank umsichtiger Lehrer in den Griff bekommen hatte, hatte er dennoch einiges nachholen müssen. Bis heute kam es ihm manchmal so vor, als müsste er sich ganz besonders anstrengen.
„Ja“, bestätigte er. „Ich werde arbeiten gehen.“
„Und was ist mit mir? Wo werde ich sein, wenn du nicht da bist?“
Auch das hatten sie schon oft besprochen. Doch der kleine Kerl hatte innerhalb weniger Jahre alle Menschen verloren, die in seinem Leben eine wichtige Rolle gespielt hatten, darum musste er einfach immer wieder hören, dass Steven ihn nicht auch noch im Stich lassen würde.
„Du bleibst in der Zeit in einer Kindertagesstätte“, erklärte Steven ihm. „Jedenfalls bis zu deiner Einschulung im Herbst.“
Matt schob das Kinn ein wenig trotzig nach vorn, was Steven so an Zack erinnerte, dass ihm die Tränen in die Augen stiegen. Zack St. John war seit der Mittelstufe sein bester Freund gewesen – ein beliebter Sportler, exzellenter Schüler und ein rundum guter und netter Kerl. Jillies Tod hatte ihn in immer tiefere Depressionen gestürzt, bis er eines Tages bei einer Fahrt mit dem Motorrad auf einer steil abfallenden Gebirgsstraße die Kontrolle über die Maschine verloren hatte.
„Kann ich nicht mit dir ins Büro gehen?“, bat der Junge leise. „Vielleicht gefällt mir die Kita ja gar nicht. Außerdem haben wir Sommer. Wer geht denn schon im Sommer dahin?“
„Viele Kinder machen das“, erwiderte Steven und stand auf. „Und vielleicht gefällt dir die Tagesstätte ja noch besser als ein 3-D-Fernseher.“ Er hielt Matt eine Hand hin. „Jetzt komm, Tex. Leg dich wieder hin. Morgen könnte ein anstrengender Tag werden, und du musst dich bis dahin ausruhen.“
Matt griff nach dem Plüschstinktier und legte die zerschlissene Decke um sich, die er nie aus den Augen ließ. Jillie hatte sie gestrickt, um
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