Die da kommen
hinein. Freddy ist noch bei ihnen, und als ich ihn aus den Augen verliere, wächst meine Sorge. Vielleicht gibt es eine Hintertür, durch die sie alle verschwinden. Doch eine Minute später kommen sie wieder heraus, mit Konservendosen in der Hand. Ein Streit bricht los, es wird geschrien, heftig mit den Ellbogen gestoßen, geschubst und weggeschnappt. Ich bin zu weit entfernt, um zu hören, was sie sagen, falls sie etwas sagen. Weitere Kinder kommen aus dem Supermarkt, schwer beladen mit Lebensmitteln, einige bluten, weil sie sich am Glas geschnitten haben. Mehrere von ihnen tragen neue Sonnenbrillen, an denen noch die Preisschilder hängen. Freddy trägt eine Konservendose in jeder Hand und scheint sich unter ihnen völlig heimischzu fühlen. Dann hört der Streit aus unerfindlichen Gründen wieder auf. Ein Junge muss irgendwo weiße Kreide besorgt haben und zeichnet das platzende Auge auf die Stirnwand einer Häuserreihe. Eine Gruppe von etwa zehn Kindern stößt ermutigende Laute aus, während sie eine Flasche Ketchup kreisen lassen. Nacheinander drehen sie die Flasche um und schmieren sich die Flüssigkeit auf die Hände, bevor sie Abdrücke an der Wand hinterlassen. Sie lecken sich die Finger ab und stoßen die Fäuste in die Luft, wobei sie schnalzen und tuten. Die ganze Gruppe bricht in bellenden Jubel aus.
Wo ist Flynn?
Der Himmel wird dunkler. Ich erinnere mich, dass Regen angesagt war.
Sobald Flynn kommt, müssen wir loslaufen und uns Freddy schnappen. Möglicherweise müssen wir uns gegen die anderen zur Wehr setzen, aber sie sind klein, und wir sind stärker. Es wird eine Entführung. Er wird sich widersetzen. Das bezweifle ich nicht.
Ich erstelle gerade ein Ablaufdiagramm der Folgen, die unser Plan haben kann, als es passiert.
Mir bleibt keine Zeit, um nachzudenken. Oder mich zu bewegen.
Sie kommen leise von hinten. Einer packt mit seiner kleinen Hand mein Handgelenk. Ich drehe mich um: Es ist eine neue Gruppe, etwa zehn Kinder. Dann hört man ein Quieken, und die Gruppe, die ich beobachtet habe, stürzt ebenfalls auf mich zu. Eine Zangenbewegung. Auf einmal sind sie überall, schlagen mich mit ihren Fäusten, so hoch sie reichen. Ich versuche noch, sie abzuschütteln, als ich das Gleichgewicht verliere und rückwärts den Abhang hinunterstürze. Ich nutze den Schwung und rolle mich schnell hinab. Damit verschaffe ich mir ein bisschen Zeit, bleibe aber orientierungslos unten liegen, und meine Haut brennt von den Nesseln. Als ich wiederweiß, wo ich bin, entdecke ich Freddy an der Spitze eines ganzen Schwarmes, der durch das Unkraut auf mich zustürmt. In seinen Augen schimmert ein neues Licht.
Ich weiß nicht, welche Absichten er verfolgt, doch als er sich mit einem Affensprung auf mich wirft, weiß ich, was ich zu tun habe. Ich packe ihn fest und stürze mich mit ihm in einem chaotischen Akt der Verzweiflung weiter die Böschung hinunter. Er tritt und hämmert mit den Fäusten auf mich ein, doch diesmal lasse ich nicht los. Die anderen kommen näher, sie tuten und schnalzen. Aus dem Augenwinkel erspähe ich Flynn und Ashok, die mit Naomi im Schlepptau an der Bahnlinie entlanggerannt kommen. Plötzlich zuckt Freddy und sinkt dann wie eine Puppe in sich zusammen, als hätte ihm etwas den Atem geraubt. Flynn schnappt ihn und reißt ihn von mir weg. Dann reicht er ihn an Ashok weiter und greift einen Jungen, der sich wie ein Geschoss auf uns gestürzt hat, mit einem Stock an. Da trifft mich etwas hart im Nacken. Ich kämpfe gegen den Schwindel an, doch vergeblich. Ich falle und muss mich erbrechen. Grelle Lichter bombardieren mich.
Dann schrumpft die Welt zu einem Stecknadelkopf und wird schwarz.
Als ich aufwache, bin ich noch in den Bruchstücken eines Traums über das CERN gefangen. Ich arbeite dort und kümmere mich um die geisterhaften subatomaren Teilchen, die als Neutrinos bekannt sind. Sie gleichen fliegenden Amöben, und es ist meine Aufgabe, sie zu füttern und dafür zu sorgen, dass sie in ihren Käfigen bleiben. Sie sind weit davon entfernt, sich wie in den berühmten Experimenten schneller als Lichtgeschwindigkeit zu bewegen, sondern sie fliegen träge umher. Mir ist nicht klar, weshalb sie nicht einfach zwischen den Gitterstäben hindurchschweben und verschwinden. Ich finde meine Rolle als Gefängniswärter ziemlich anstrengend.
Es dauert eine Weile, bis ich merke, dass ich in dem Bett liege, das ich früher mit Kaitlin geteilt habe. Eine Frau ist bei mir. Aber es ist nicht Kaitlin
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