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Die Daemmerung

Die Daemmerung

Titel: Die Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
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am Arm zu berühren.
    Er schlug ihre Hand weg. »Dummes kleines Luder.« Es dauerte einen Moment, bis ihr bewusst wurde, dass er xixisch sprach, ihre eigene Sprache. Qinnitan riss die Hand empor, um gegen die trotz des Rauchs blendende Sonne etwas erkennen zu können.
    Ihr Retter war der namenlose Mann mit dem steinernen Gesicht, der Diener des Autarchen, nur dass sein Gesicht jetzt nicht steinern war: Es war eine Grimasse fast schon irrer Wut.
    »Siehst du das hier?« Er packte Spatz' Handgelenk und knallte die Hand des Jungen direkt vor Qinnitans Gesicht so fest auf die Planken, dass Spatz, obwohl kaum bei Sinnen, vor Schmerz einen stummen Schrei ausstieß. Der Namenlose ohrfeigte den Jungen so heftig, dass Spatz' Augen sich zuckend öffneten und dann vor Entsetzen weiteten, als er sah, wer ihn in seiner Gewalt hatte. »Pass auf!«
    Mit einer einzigen Bewegung, so schnell wie das Zustoßen einer Schlange, zog der Mann ein langes, breites Messer aus seinem Hosenbund und ließ es mit einem fleischigen
Twock,
wie wenn ihre Mutter am Familientisch Fischköpfe abgehackt hatte, auf die Hand des Jungen niedersausen. Blut spritzte Qinnitan ins Gesicht, und drei von Spatz' Fingerspitzen hüpften davon. Der Junge schrie, ein unartikulierter Laut, so grässlich, dass Qinnitan ebenfalls aufschrie, hilflos und ungläubig.
    »Das nächste Mal ist es die ganze Hand — und seine Nase dazu?« Der Namenlose schlug Qinnitan so fest ins Gesicht, dass sie glaubte, er hätte ihr den Kiefer gebrochen. Als Spatz sich gurgelnd und die verletzte Hand umklammernd auf den Planken wälzte und rote Flüssigkeit auf den Steg tropfte, zog ihr Peiniger ein Tuch aus der Tasche und band es achtlos, aber fest um Spatz' Finger, um das Blut zurückzudämmen.
    »Jetzt steht auf, ihr kleinen Dungfliegen, und kein Laut und keine Widersetzlichkeiten mehr, von keinem von euch.« Er riss Qinnitan hoch und trat dann auf den wimmernden Jungen ein, bis der sich taumelnd aufrappelte, das Gesicht fahl vor Schmerz. »Wegen euch beiden müssen wir jetzt ein anderes Schiff finden.«

    »Ich habe nie damit gerechnet, König zu werden.«
    Pinnimon Vash zuckte überrascht und erschrocken zusammen. Er war nicht darauf gefasst gewesen, überhaupt jemanden reden zu hören, geschweige denn, eine so außergewöhnliche Äußerung mitzubekommen.
    Es war Olins Stimme, kein Zweifel — aber mit wem konnte der Nordländerkönig da reden? Der Autarch war noch im Bett in seiner Kabine, und doch klang es, als spräche der Fremde mit Sulepis selbst. Vash überlief es kalt: Wenn er nicht richtig einschätzte, wo sich der Autarch im jeweiligen Augenblick aufhielt, dann war vieles von dem, was er täglich tat (und besonders das, was er in diesem Moment tat) kaum mehr als eine gehobene Form des Selbstmords.
    Panik erfasste den Obersten Minister wie ein jähes Fieber. Er wich von dem Loch, an dem er gelauscht hatte, zurück und blickte sich hektisch um, bis er sich sicher war, dass er sich wirklich allein in dem kleinen Spind befand.
Narr!,
schalt er sich — wichtig war nur, was auf der anderen Seite des Gucklochs vor sich ging. Sprach Olin Eddon wirklich mit Sulepis? Wie konnte sich Vash so vertan haben? Eben erst hatte er das Pergament mit seinem Morgenbericht in der Kabine des Autarchen abgeliefert und war von den Leibsklaven beschieden worden, dass der Goldene noch schlafe.
    Wieder hörte er Olin. »Nicht, dass ich dafür ungeeignet gewesen wäre oder die Verantwortung gescheut hätte«, sagte der Nordländer, »ich konnte mir einfach nur nicht vorstellen, dass es geschehen würde. Mein Vater Ustin war gesund und stark wie ein Bulle, mein Bruder Lorick, der Thronfolger, war nur zwei Jahre älter als ich, und ich war immer kränklich gewesen, anfällig für Fieber und oft für lange Wochen ans Bett gefesselt. Die Ärzte hatten meinen Eltern erklärt, ich würde wahrscheinlich mein zwanzigstes Jahr nicht erleben. Es sei eine Schwäche des Blutes, sagten sie — etwas, woran viele meines Geschlechts gelitten hatten ... was sie ...«
    Olin hielt so lange inne, dass Vash sich schließlich wieder ans Guckloch beugte, um herauszufinden, was da vor sich ging. Die Entdeckung dieses Spinds war ein Glücksfall gewesen — er war wesentlich dezenter als sein vorheriges Lauschplätzchen —, aber es war mühsam für seine alten Knochen, sich in das enge Ding zu quetschen, und es wäre so gut wie unmöglich, schnell hinauszugelangen, falls er jemanden kommen hörte. Dennoch hatte er befunden,

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