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Die Daemmerung

Die Daemmerung

Titel: Die Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
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dass es das wert war, zumal, wenn er auf diese Weise herausfinden konnte, was der Autarch plante. Wer sich von Sulepis überraschen ließ, hatte im Allgemeinen kein langes Leben — und schon gar kein angenehmes.
    Aber wenn ich mich geirrt habe und Sulepis mich hier findet, ist dieser Spind nicht viel mehr als ein senkrechter Sarg.
    Sehen konnte Vash aus diesem Blickwinkel immer noch nichts, auch nicht, mit wem der Nordländer sprach, also nahm er das Auge wieder vom Loch und legte stattdessen das Ohr daran. Das nächste Mal — so es ein solches geben würde — musste er ein dunkles Tuch mitbringen, um das Loch von innen zu verhängen. Dann wäre er von außen nicht so leicht zu bemerken.
    »Jedenfalls«, fuhr Olin schließlich fort, »machten es meine Krankheit und die robuste Gesundheit meines Vaters und meines Bruders sehr unwahrscheinlich, dass ich je den Thron besteigen würde. Statt nur mit Turnieren, Jagd und anderen körperlichen Aktivitäten verbrachte ich meine Jugend auch mit Büchern, in Gesellschaft von Historikern und Philosophen. Nicht, dass etwas falsch daran wäre, sich verteidigen zu lernen Ich habe dafür gesorgt, dass meine Kinder zumindest in der Lage sein würden, sich in einem Kampf ihrer Haut zu wehren.«
    Mit
wem
sprach er? Der Autarch würde doch gewiss nie so lange schweigen. Konnte es Panhyssir sein, der Oberpriester? Bei dem Gedanken verspürte Vash ohnmächtige Eifersucht. Oder vielleicht der Antipolemarch Dumin Hauyuz, der Kommandeur der an Bord befindlichen Soldaten und ranghöchste Offizier in der Reisegesellschaft des Autarchen? Es musste einer der beiden sein — so offen würde der König eines fremden Landes doch mit sonst niemandem reden.
    Oder hatte die Gefangenschaft den Mann einfach nur wahnsinnig gemacht — führte Olin Selbstgespräche?
    »Aber die Ärzte haben sich geirrt«, sagte der Nordländer. »Meine Krankheit hat mein Leben nicht verkürzt — jedenfalls bis jetzt nicht. Mein Vater lebte zwar lange, brach jedoch am Schlagfluss zusammen, als er erfuhr, dass mein Bruder Lorick auf der Jagd vom Pferd gestürzt war und wohl nicht überleben würde. Mein Vater kam zwar nicht wieder zu sich, starb aber auch nicht. So leicht ließ keiner dieser beiden starken Männer das Leben fahren.
    Es war eine schlimme Zeit für meine Mutter und auch für mich. Mein Vater hatte für mich nie so viel Zeit gehabt wie für Lorick, aber das war nur natürlich, weil mein Bruder ja auf die Regentschaft vorbereitet wurde — wer hätte ahnen können, dass die Götter solche Überraschungen planten? Doch mein Vater war auf seine Art immer gut zu mir gewesen, und jetzt musste ich mit ansehen, wie sie sich beide ans Leben klammerten, obwohl sie sich aus dem halbtoten Zustand, in dem sie waren, nicht herauszuziehen vermochten.
    Mein Vater starb zuerst. Es gab am Hof eine Fraktion — angeführt von den Tollys, der zweitmächtigsten Familie nach unserer —, die Lorick krönen wollte, obwohl er bewusstlos auf dem Sterbebett lag, damit dann Lindon Tolly in seinem Namen regieren könnte. Mein jüngerer Bruder Hardis war bereits mit einer Tolly verheiratet, also wollten sie mich nur lange genug vom Thron fernhalten, um eine Möglichkeit zu finden, Hardis statt meiner zum König zu machen, wenn Lorick schließlich seinen Verletzungen erläge. Wir hatten gerade genügend Verbündete am Hof, um uns diesen Machenschaften zu widersetzen, doch nur mit Mühe. Fast ein Jahr herrschte in Südmark eine Pattsituation.
    Hardis war jung und leicht zu beeinflussen und vielleicht auch eifersüchtig auf seine älteren Brüder, aber meiner Meinung nach war ihm nicht klar, dass Lindons Plan, ihn auf den Thron zu bringen, meinen Tod vorausgesetzt hätte. Hardis war nicht dumm, doch es war sicher leichter für ihn, sich nicht zu fragen, warum ihn die Tollys so unterstützten. Oder vielleicht war er sich wie alle am Hof einfach nur sicher, dass ich das Mannesalter nicht erreichen würde.
    Tatsächlich habe ich sie alle überlebt. Mein armer Bruder Hardis starb vor zehn Jahren an einem Fieber, nachdem er sein Leben mehr oder minder als Gefangener der Tollys verbracht hatte, auch wenn er immer vorgab, am Hof von Gronefeld glücklich zu sein und seine alte Heimat nicht wiedersehen zu wollen. Armer Hardis.
    In jenem Jahr der Thronfolgekämpfe starb Lorick schließlich, und das Marionettentheater nahm ein Ende, jedoch nicht ohne zuvor das Königreich beinahe entzweigerissen zu haben. Ich wurde gekrönt, und die Tollys

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