Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Daemmerung

Die Daemmerung

Titel: Die Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
mussten sich damit bescheiden, das, was sie an Macht besaßen, zu behalten.
    Verflucht sei meine Torheit Ich hätte sie vernichten sollen wie ein Wespennest. Ich erkannte die Gefahr, die Euer Land für Eion darstellt, lange vor meinen Monarchenbrüdern, schon in den Zeiten des grausamen Vaters dieses Autarchen, doch ich erkannte nicht die Gefahr in meinem eigenen Haus.«
    Da!,
dachte Vash erleichtert, aber immer noch verwirrt, und atmete zum ersten Mal seit einiger Zeit vollständig aus. Der Mann sprach eindeutig nicht mit Sulepis — doch was machte er dann? Hatte der Autarch Olin einen Schreiber zur Verfügung gestellt? Diktierte der ausländische König einen Brief an seine Familie?
    Die Stimme des Nordländers hob sich. »Und das ärgert mich noch mehr als der Verrat der Tollys — meine eigene Dummheit. Ich ließ Feinde in meinem Haus zurück, als ich aufbrach, und dann, was noch schlimmer war, ließ ich mich von diesem Schwein, Hesper von Jellon, täuschen und gefangen nehmen. Das alles mag meine Familie den Thron gekostet haben, den wir jahrhundertelang innehatten, aber mich hat es noch viel mehr gekostet ... meinen ältesten Sohn, meinen braven Kendrick, und vielleicht auch noch meine anderen beiden Kinder.« Ihm stockte die Stimme. »Ah, bei der barmherzigen Zoria und all ihren Orakeln — mögen die Götter Flüche auf jene herabregnen lassen, die mir geholfen haben, mich selbst und mein Königreich zu verraten!
    Eine ganze Weile sagte Olin nichts mehr, doch auch ohne ihn zu sehen wusste Vash, dass der König nur verstummt war, nicht weggegangen.
    »Ich habe versucht, jedes meiner Kinder für die Regentschaft zu erziehen, damit es nicht so überrascht und unvorbereitet wäre wie ich damals, sollten die Götter beschließen, es auf den Thron zu setzen. Und ich habe sie alle geliebt, wie es sich für einen Vater gehört, wenn auch vielleicht nicht alle gleichermaßen.
    Sie waren alles, was mir von meiner verstorbenen Gemahlin Meriel geblieben war. Sie hatte bei der Geburt der Zwillinge sehr gelitten und erholte sich nicht wieder, wurde immer schwächer, bis sie dann einen Monat später verschied. Es riss mir schier das Herz aus der Brust. Ich verbannte den Hofarzt, der sie betreut hatte, obwohl es nicht seine Schuld war. Ich konnte es einfach nicht ertragen, das Gesicht dieses Mannes zu sehen, wenn meine geliebte Frau nicht mehr am Leben war. Sie war das Einzige gewesen, was mich glauben gemacht hatte, mein vergiftetes Blut könnte vielleicht unschädlich gemacht werden. Als Kendrick zur Welt kam, so dick und gesund und fröhlich, schien es, als hätte ihre Lieblichkeit das bittere Erbe meiner Blutslinie aufgehoben.
    Narr, der ich war.
    Sie war wundervoll, meine Meriel, doch nicht nur deshalb, weil ihre Haut so milchweiß war und ihr Mund so rot, wie die Barden sangen. Es gab in den Markenlanden viele Frauen, die man schöner hätte nennen können, und es bräuchte einen Dichter, der ich nicht bin, Euch genau zu schildern, was sie so lieblich machte, aber es war etwas in ihren Augen. Ihr Leben lang, bis zu dem Moment, da sie diese Augen für immer schloss, hatte sie den Blick eines Kindes. Nicht unschuldig, nicht töricht oder einfältig, sondern offen und geradeheraus. Sie betrachtete die Welt, ohne zu urteilen, oder zumindest ohne vorschnelle Urteile zu fällen. Sie vermochte nicht zu schmeicheln, doch sie war immer freundlich. Sie log nie, aber sie sprach auch nie unbesonnen die Wahrheit aus, wenn sie nur unnötig Leid verursacht hätte ...«
    Wieder hielt Olin inne. Vash hörte jetzt erstmals mit echtem Interesse zu: Der Ausländer sprach in wohlgesetzten Worten, wie es sich für einen König gehörte. Einige der Autarchen, denen Vash gedient hatte, waren Freunde der Dichtkunst gewesen, aber keiner hatte selbst die Gabe des Wortes besessen. In jüngeren Jahren hatte der Oberste Minister gelegentlich ein paar Zeilen geschrieben, doch die hatte nie jemand zu Gesicht bekommen.
    »Ja«, fuhr Olin fort, »Meriel war so, wie ich oft dachte, dass eine Göttin sein müsste, wenn es denn eine gutherzige Göttin wäre, denn Meriel verschloss sich nicht dem Leid anderer. Ach, dass sie aus dieser Welt gerissen wurde und nicht ich mit meinem Blutsmakel und meiner Eingenommenheit von mir selbst! Als sie starb, gewandete sich ganz Südmarksburg in Trauerkleidung, Bedienstete wie Höflinge, und legte sie nicht wieder ab. Das ist die reine Wahrheit. Nach einem Jahr musste ihnen der Priester sagen, dass es eine Beleidigung

Weitere Kostenlose Bücher