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Die Daemmerung

Die Daemmerung

Titel: Die Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
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gesündesten und stärksten Kandidaten zu ermitteln.«
    »Aber dieser Autarch hat es offensichtlich nicht so gemacht.«
    Vash schüttelte den Kopf. »Der Goldene, möge sein Leben lang sein, ist in vielerlei Hinsicht anders als seine Vorgänger.« Er senkte die Stimme ein wenig, damit ihn die Wachen nicht hören konnten. »Bei Prusus' Krönung mit der Weih-Krone erklärte Seine erhabene Majestät Sulepis: ›Wer an meiner Entscheidung zweifelt, möge verfolgen, wen die Götter zuerst zu sich nehmen — diesen Prusus hier oder meine Feinde.«‹ Vash richtete sich auf. »Seither haben viele Feinde des Goldenen die Erde verlassen, Prusus aber ist immer noch am Leben.« Er erhob sich nicht ohne Mühe von der Bank. Jetzt ging es ihm besser. Dem Fremden dies alles zu erläutern, hatte Klarheit in seine eigenen Gedanken gebracht. Natürlich lag es bei den Göttern, zu entscheiden, ob Sulepis Einhalt geboten werden musste, nicht bei Pinnimon Vash. Wenn der Himmel wollte, dass der Goldene beseitigt oder zumindest gehindert würde, so brauchte er ja nur das dünne Schilfrohr zu brechen, welches das Leben des Krüppels Prusus war. Für die Götter konnte das ja wohl nicht schwerer sein als eine Fliege zu erschlagen.
    »Noch eine Frage, wenn Ihr erlaubt«, sagte Olin.
    »Natürlich, Hoheit.«
    »Wenn jemand, was die Götter verhüten mögen, den Skotarchen Prusus einfach über Bord stieße, würde der Autarch dann seine Macht verlieren?«
    Vash nickte. »Dieser Gedanke ist nicht ganz neu. Und möglich wäre es schon ...«
    »Möglich? Ich dachte, es sei das Gesetz Eures Landes.«
    »Ja, aber es ist auch wohlbekannt, dass Sulepis sein eigenes Gesetz ist. Und ich vermute, es gibt noch einen Grund, warum bisher niemand den Versuch gewagt hat.«
    »Und der wäre?«
    »Was auch immer ansonsten geschähe: Der Mord an einem Skotarchen würde bestraft, und darauf steht eine überaus grausame Strafe — man würde, wenn ich mich recht erinnere, die Eingeweide des Mannes in einen Löwenkäfig werfen, während sie noch mit seinem lebendigen restlichen Leib verbunden sind. Darum wurde selbst vor Sulepis' Thronbesteigung nie ein Skotarch ermordet.«
    »Ich danke Euch«, sagte Olin, »Ihr habt mir viel Stoff zum Nachdenken gegeben, Minister Vash.«
    »Es freut mich, Euch gedient zu haben, Hoheit«, erwiderte er mit einer Verbeugung, ehe er wieder in seine Kabine ging. Nach einem unerwartet geschäftigen Vormittag und der deprimierenden Gesellschaft eines zum Tode Verurteilten verspürte Vash plötzlich das Verlangen nach einem kleinen Mahl und süßem Wein.

    Der Mann, der niemals lächelte, stand in der Tür der Kabine. Spatz, der sich in fast jeder anderen Situation wie ein treuer Hund vor Qinnitan geworfen hätte, flüchtete sich mit unartikulierten Schreckenslauten hinter sie. Qinnitan tat ihr Bestes, sich nicht anmerken zu lassen, dass ihr ganz ähnlich zumute war. »Was wünscht Ihr?«, fragte sie.
    Der Mann sah sie nur kurz an und ließ den Blick dann durch die kleine Kabine wandern, wo, der zugenagelten Fensterläden wegen, selbst bei diesem kühlen Wetter drückende Hitze herrschte und der strenge Geruch ihrer ungewaschenen Körper sich mit dem Gestank des nur einmal am Tag entleerten Nachtgeschirrs mischte.
    »Ich gehe in die Stadt«, sagte er schließlich. »Spielt nicht mal mit dem Gedanken, irgendwelche Mätzchen zu machen, während ich weg bin.«
    »Welche Stadt?« Das wäre wenigstens ein Anhaltspunkt, wo sie sich befanden und wie weit sie schon gesegelt waren. Aus der Veränderung der Schiffsbewegungen und der Geräusche hatte sie geschlossen, dass sie vor Anker lagen, und die letzten Stunden hatte sie gefürchtet, sie hätten das Schiff des Autarchen bereits eingeholt. Aber vielleicht war ja doch etwas anderes im Gang. Sie versuchte, die Hoffnung nicht zu groß werden zu lassen.
    Natürlich antwortete er nicht auf ihre Frage, sah sich nur ein letztes Mal gründlich um. »Falls ich bei Sonnenuntergang nicht zurück bin, wird euch jemand von der Mannschaft euer Essen bringen. Ich habe ihnen untersagt, dich zu töten, Mädchen, aber wenn ihr Ärger macht oder irgendwelche Tricks versucht, haben sie freie Hand, den Jungen zu foltern.« Er richtete die blassen, toten Augen auf Spatz. »Dafür ist er hier. Damit gewährleistet ist, dass du tust, was man dir sagt. Hast du das verstanden?«
    Qinnitan schluckte. »Ja.« Er wandte sich wieder ihr zu. Sein Blick war so leer wie der Blick der rotsilbernen Fische in den Bassins des

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