Die Daemmerung
der ... Skotarch, so nennt Ihr ihn doch wohl ... ist nicht besonders gesprächig.«
»Nein, Hoheit, da habt Ihr recht.«
Er ist eine jämmerliche Missgeburt und hätte gar nicht erst den ersten Atemzug tun dürfen. Nur eine so reiche Frau wie seine Mutter konnte es wagen, ihn
zu
behalten.
Es war idiotisch, sich davon tangieren zu lassen, doch sobald ihn ein Blick aus Prusus' wässrigen, haltlos umherrollenden Augen streifte, wurde Vash nervös. »Ich sage Euch gern, was Ihr wissen möchtet, sofern ich es kann.«
»Sehr gut. Was
ist
ein Skotarch? Soweit ich es verstanden habe, gilt dieser Bursche hier in irgendeiner Weise als Thronfolger des Autarchen.«
»Ja, und ich kann verstehen, dass Euch das befremdet.« Allmählich schmerzten Vashs Beine vom langen Stehen. Er ging zum anderen Ende der Bank, auf der der Nordländer saß, und ließ sich nieder. »Es heißt, diese Sitte stammt aus alten Zeiten, als unser Volk noch in Nomadensippen durch die Wüste zog. Damals kamen wir einmal im Jahr bei den
Xawadis
zusammen, dort, wo das Wasser nie völlig versiegt — ein höchst heiliger Ort, wo wir das Oberhaupt aller Sippen wählten, den Großen Falken. Doch zugleich wählten wir auch den Weih, jenen hoch kreisenden Raubvogel der Wüste. Gewöhnlich war das ein älterer Sippenangehöriger, verantwortungsbewusst, weise und nach allgemeiner Ansicht ohne persönlichen Ehrgeiz. Er zog dann mit der Sippe des Falken und wurde selbst Falke, falls dem Gesamtoberhaupt etwas zustieß.
Im Lauf der Jahrhunderte siedelten wir uns in Städten an, die Beziehungen wurden subtiler und komplexer, und manchmal lagen Falke und Weih, die man heute Autarch und Skotarch nennt, fast schon im Krieg miteinander, jeder mit seinen eigenen Anhängern, Sippenverbänden und Truppen. Nach dem Zusammenbruch des ersten xixischen Reiches kamen die überlebenden Sippenoberhäupter dort zusammen, wo jetzt Xis steht, und erließen die Gesetze von Shakh Xis. Das wichtigste dieser Gesetze legt die Rollen des Autarchen und des Skotarchen fest. Oder erzähle ich Euch Dinge, die Ihr längst wisst, Hoheit?«, fragte er höflich nach.
»Nein, nein, fahrt bitte fort.«
»Gut. Also, die Gesetze von Shakh Xis verfügen, dass der Autarch stets einen Skotarchen wählt und dass dieser Skotarch die Xixier nie regieren wird, es sei denn, der Autarch stirbt, und dass er auch dann nur so lange herrscht, bis der Rat der edlen Familien zusammenkommen und den nächsten Autarchen bestimmen kann, der fast immer der älteste Sohn des gerade verstorbenen Autarchen ist.«
»Das erscheint mir gar nicht so ungewöhnlich«, warf Olin ein. »In den Markenlanden haben wir zum Teil ganz ähnliche Gesetze.«
»Ja, aber wenn es umgekehrt läuft, wird es interessant«, erklärte Vash. Er blickte kurz zu Prusus hinüber, doch der Skotarch schien eingeschlafen zu sein, ein dünner Speichelfaden zog sich von seiner Unterlippe zu seinem Kragen. »Wenn nämlich der
Skotarch
stirbt, muss auch der Autarch zunächst zurücktreten, bis die Edlen sich versammeln und darüber befinden, ob er noch weiter zum Herrscher geeignet ist. In dieser Zeit steht er nicht mehr unter dem Schutz der Götter. Er kann entthront und sogar von den Edlen hingerichtet werden. Das ist schon öfter geschehen«
Olin hob eine Augenbraue. »Wenn der
Skotarch
stirbt, kann der Autarch abgesetzt werden? Warum in aller Welt?«
Vash zuckte die Achseln. »So wollte man sicherstellen, dass keine rivalisierende Sippe die Macht zu ergreifen sucht. Skotarch werden zu wollen, ist sinnlos, wenn es einem nur um Macht geht, denn wenn der Autarch stirbt, regiert der Skotarch ja nur bis zur Wahl des nächsten Autarchen. Und einen Autarchen ermorden zu wollen, ist ebenfalls sinnlos, vor allem für ungeduldige Söhne, denn es wird ja zunächst der Skotarch eingesetzt, und man kommt möglicherweise nie auf den Thron.«
»Und jeder Autarch wählt sich also einen neuen Skotarchen«, sagte Olin mit einem nachdenklichen Blick auf Prusus, der jetzt schnarchte, aber selbst im Schlaf noch so heftig zitterte, dass seine Hände wackelten wie Mohnblumen in starkem Wind. »Aber wenn der Autarch beim Tod des Skotarchen zumindest zeitweilig entthront wird, wäre es dann nicht sinnvoller, den jüngsten und gesündesten Skotarchen zu nehmen, den man finden kann?«
»Gewiss, Hoheit«, sagte Vash nickend. »Und in der Vergangenheit hielten die Autarchen auch eigens zeremonielle Ringkämpfe, Wettläufe und Kampfspiele ab, um unter den edlen Familien die
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