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Die Daemmerung

Die Daemmerung

Titel: Die Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
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für die unerbittliche Ausdehnung des Reiches nach Eion hinein, die einen so großen Teil der xixischen Reichtümer verschlungen hatte? Dank derer sie jetzt eine Armee am Hals hatten, die so groß und so hungrig war, dass man sie ständig in den Kampf führen musste, damit sie zu Hause keine Scherereien machte? Aber selbst wenn, warum dann diese plötzliche Planänderung, zuerst der kostspielige Angriff auf Hierosol und jetzt dieser merkwürdige, wie ein Taschenspielertrick anmutende Vorstoß in den entlegensten Winkel des nördlichen Kontinents?
    Glaubten der Autarch und die Priester tatsächlich, dass in der Burg des Nordländerkönigs die Götter auf ihre Erweckung warteten? Oder ging es ihnen um etwas weniger Abwegiges — irgendein Objekt von großer Macht oder hohem Wert? Aber was konnte jemand wie Sulepis so sehr begehren? Er war doch schon der mächtigste Mann der Welt. Würde er aus einer solchen Laune heraus Xis ruinieren, jeden erwachsenen Mann in den Kampf schicken, womöglich eine ganze Generation auslöschen? Nur um sich mit dem imperialen Äquivalent eines noch glänzenderen Schwertes oder eines noch prächtigeren Hauses schmücken zu können?
    Und meine Aufgabe — besteht sie darin, diese Laune zu unterstützen oder irgendetwas dagegen
zu
unternehmen? Doch selbst wenn ich mich dazu durchränge, mich gegen den Autarchen
zu
wenden, was könnte ich schon tun, außer unter Protest
zu
sterben? Selbst auf diesem kleinen Schiff wird er ununterbrochen bewacht, von Vorkostern und Dienern und Leopardengarden, und er ist viel jünger und stärker als ich, selbst wenn ich ihn zufällig allein erwischen könnte.
Nein, der Gedanke, ein Oberster Minister allein könnte irgendetwas gegen den Autarchen ausrichten, war absurd, und jeder gescheiterte Versuch würde mit Sicherheit grässliche Folterqualen vor der unweigerlichen Hinrichtung bedeuten. Schaudernd dachte Vash an das Schicksal, das Jeddin, den ehemaligen Leopardenhauptmann des Autarchen, ereilt hatte.
    Nein, jedes übereilte Handeln wäre sinnlos ...
    Er fand den fremden König auf dem Vordeck, wo er ohne Hut und mit zurückgestreifter Kapuze auf einer Bank in der kühlen, aber hellen Sonne saß. Rechts und links von ihm lehnte je ein Dutzend Wachen an der Reling, und zwei weitere Bewaffnete waren über ihm am Aufgang zum Kanonendeck postiert. Merkwürdig war jedoch die Gesellschaft, die sich der Nordländerkönig offensichtlich auserkoren hatte: Nur ein paar Schritte von Olin Eddon entfernt saß der verkrüppelte Skotarch Prusus in seiner Sänfte, bei aufgezogenem Vorhang, damit auch er ein paar Sonnenstrahlen abbekam. Der Skotarch war in den ersten Tagen der Seereise krank gewesen, doch selbst jetzt, da es ihm wieder gut ging, wirkte er mit seinem haltlos baumelnden Kopf und seinen zuckenden Gliedmaßen wie kurz vor dem Kollaps. Schon Prusus' bloßer Anblick irritierte und ängstigte Vash. Die Wahl dieser armseligen Kreatur war der erste Ausdruck der erschreckend unverständlichen Ideen des neuen Autarchen gewesen.
    Vash wandte sich dem Nordländerkönig zu. Welch wahnsinnigen Plan der Goldene auch haben mochte, für Olin bedeutete es jedenfalls den Tod, was fortan bei jeder Unterhaltung in Vashs Hinterkopf sein würde. Es war, wie ein Opfertier zu streicheln: Man tat es nur, um das Lebewesen zu beruhigen, denn eine Gefühlsbindung zu entwickeln hatte keinen Sinn.
    Vash lächelte. »Guten Tag, König Olin. Ihr genießt wohl die Sonne?« »Wie sollte ich sie nicht genießen, da doch jeder Sonnenuntergang mein letzter sein könnte?«
    Der Oberste Minister neigte in einer gelungenen Imitation von Bedauern den Kopf. »Verzweifelt nicht, Hoheit. Es könnte sein, dass Euch der Goldene verschont. Er ist wandlungsfähig, unser hoher Herr.« Ja, das war er wahrhaftig, aber so gut wie nie zu jemand anderes Gunsten.
    Olin hob eine Augenbraue. »Ach, tja dann ... kein Grund zur Beunruhigung.« Er wandte sich wieder dem Horizont zu. In diesen Tagen an Bord hatte er etwas Farbe bekommen, die Gefangenenblässe wich allmählich leichter Sonnenbräune. Selbst der rötliche Ton seines braunen Haars wirkte jetzt leuchtender, geradezu feurig. Die Ironie entging Vash nicht: Je näher er dem Tod kam, desto lebendiger sah Olin Eddon aus.
    »Benötigt Ihr irgendetwas?«, fragte ihn Vash.
    »Nein, ich genieße den Wind auf meiner Haut, und fürs Erste genügt mir das. Aber Ihr könntet mir eine Frage beantworten.« Er deutete auf Prusus. »Ich habe ihn schon selbst gefragt, aber

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