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Die Daemmerung

Die Daemmerung

Titel: Die Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
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schneiden würde.«
    »Ich fürchte, ich kenne ihn nicht.«
    »Bruder Okros? Ein Verräter, ein schurkischer Verräter. Ich hielt ihn für einen Kollegen und Freund, aber wie sich herausstellte, stand er die ganze Zeit in Hendon Tollys Diensten.« Einen Moment schien der Arzt zu aufgewühlt, um sprechen zu können. Während er noch mit diesen Gefühlen rang, ging die Tür auf, und Zinnober trat herein.
    »Guten Tag, die Herren«, sagte er und hob die Hand zum Gruß.
    Vansen hatte erst zweimal mit ihm gesprochen, aber er mochte den kleinen Mann und verstand, warum Chert so große Stücke auf ihn hielt. »Wir müssen wohl Euer Wort darauf nehmen, Magister Zinnober — nicht darauf, dass es ein guter Tag ist, sondern dass wir überhaupt Tag haben. Ich war Gefangener in den Bergwerksstollen der Schattenlande, ehe ich hierherkam — ich weiß schon nicht mehr, wann ich zuletzt die Sonne gesehen habe.« Und wie er sich danach sehnte, die Sonne zu sehen? Er träumte manchmal von ihr, so wie Menschen von lieben Verwandten träumen, die gestorben sind.
    »Das liegt daran, dass Euch die Leute über der Erde lieber einen Pfeil in den Leib jagen würden, als Euch frische Luft schnuppern zu lassen«, sagte der einflussreiche Funderling fröhlich. »Und dafür kann ich ja wohl kaum etwas, oder? Also, was mich hierherführt — ich wollte Chert Blauquarz sprechen, aber wie ich sehe, habe ich ihn verpasst.«
    »Er hilft seiner Familie, sich oben einzurichten«, erklärte Vansen. »Und Chaven und ich sprachen gerade über alle möglichen Dinge. Ich muss gestehen, ich hatte ja keine Ahnung, was sich hier unten in Funderlingsstadt alles abspielt — geheime Stollen, Chert und Opalia mit ihrem Findelkind von jenseits der Schattengrenze, magische Spiegel. Wenn ich mir vorstelle, dass ich so lange über einem so exotischen Ort gelebt habe, ohne etwas davon zu wissen!«
    »Schon wieder Spiegel?«, fragte Zinnober. »Was redet Ihr von Spiegeln?«
    Chaven mischte sich ein. »Nichts. Spiegel sind nicht wichtig, Magister.« Trotz seines bisherigen Interesses und all der vielen Fragen, mit denen er Vansen strapaziert hatte, wollte Chaven auf einmal offensichtlich das Thema wechseln. »Wichtig ist, dass wir hier nur wenige sind, gefangen zwischen den Qar draußen vor den Toren und dem Verräter Tolly in der Burg über uns. Und wenn die Qar tatsächlich von Sturmsteins Stollen wissen, wie Chert meint, werden sie vielleicht nicht mehr lange vor den Toren bleiben ...«
    Ehe der Arzt zu Ende sprechen konnte, ging die Tür auf, und Chert Blauquarz kam herein. Er bewegte sich so langsam, als trüge er etwas Schweres.
    Was er ja in gewisser Weise auch tut,
dachte Vansen. Chert war in vielen ihrer Diskussionen an vorderste Front geschoben worden, obwohl ihm die Verantwortung eindeutig nicht behagte. Trotzdem hatte er Vansen beeindruckt. Der Hauptmann meinte, in dem Funderling etwas von seinem alten Ausbilder Donal Murroy wiederzufinden, vor allem in dem bissig klingenden Humor, der es kaum schaffte, das freundliche Wesen des kleinen Mannes zu überdecken.
    Zinnober breitete die Arme aus. »Ah, da seid Ihr ja, Chert, mein Guter! Gerade vom Esstisch aufgestanden, was? Seine Frau ist nämlich eine hervorragende Köchin, wusstet Ihr das?«
    »Bei dem, was uns diese knauserigen Mönche geben, kann Opalia von Glück sagen, wenn sie Steinsuppe zustande bringt«, sagte Chert. »Für die Metamorphose-Brüder ist Freude am Essen der Weg in den moralischen Niedergang.« Er verdrehte die Augen. »Nickel hat mir gesagt: ›Seid dankbar, dass Ihr Grillen zum Rösten habt. Unsere Novizen bekommen nur einmal die Woche Grillenmus und betrachten es als ein Festmahl.«
    In dem Moment kam Nickel herein, wie immer mit düsterer Miene. »Ich bringe die Brüder einfach nicht zum Arbeiten. Sie wollen lieber über Großwüchsige und Zwielichtler schwatzen, als den Dienst an den Alten der Erde zu versehen.«
    »Dies sind seltsame Zeiten«, sagte Zinnober. »Seid nicht zu hart mit ihnen, Bruder Nickel.«
    Der Ratsvertreter der Quecksilberfamilie hatte unmittelbaren Zugang zu den Zunftvorstehern, und die Zunft würde darüber entscheiden, ob Nickel zum Abt aufstieg. Selbst Ferras Vansen als Außenstehender bemerkte die prompte Veränderung im Verhalten des Funderlingsmönchs.
    »Da habt Ihr natürlich recht, Magister«, stimmte Nickel Zinnober eilends zu. »Vollkommen recht.«
    Vansen sah Cherts angewiderten Gesichtsausdruck und musste sich auf die Lippe beißen, um nicht zu

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