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Die Daemmerung

Die Daemmerung

Titel: Die Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
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Frauenpalastes.
    »Ich würde gern baden«, sagte sie. »Mich waschen. Selbst Ihr habt doch wohl nicht vor, mich dem Autarchen derart stinkend zu übergeben.«
    Er drehte sich um und ging zur Tür. »Vielleicht.«
    »Warum wollt Ihr mir Euren Namen nicht sagen?«
    »Weil Tote keinen Namen brauchen.« Und damit ließ er die Tür hinter sich zufallen. Sie hörte, wie von außen der Riegel vorgeschoben wurde.
    Jemand sprach draußen auf dem Gang mit ihm. Es klang wie der Kapitän — einer der besten Schiffsführer des Autarchen, wie Qinnitan den wenigen aufgeschnappten Gesprächsfetzen zwischen Seeleuten entnommen hatte. Die hatten ihr auch verraten, dass der Kapitän gar nicht glücklich darüber war, von ihrem Entführer — wer und was er auch immer sein mochte — Befehle entgegennehmen zu müssen. Sie machte sich von Spatz los, ging leise zur Tür und legte das Ohr an die Ritze.
    »... aber es lässt sich nicht ändern«, hörte sie den Kapitän zu dem Namenlosen sagen. »Keine Angst, unser Schiff ist schneller — wir werden die Flotte des Autarchen binnen weniger Tage eingeholt haben.«
    »Wenn es sein muss, muss es eben sein«, sagte ihr Entführer schließlich nach einer längeren Pause. Ein Hauch von Emotion hatte sich in seine Stimme geschlichen: Ungeduld, vielleicht sogar Ärger. »Ich bin bei Einbruch der Dunkelheit zurück, seht zu, dass wir dann in See stechen können.«
    Jetzt war es der Kapitän, der seine Verärgerung nicht verbergen konnte. »Ein neues Steuerruder bekommt man nicht immer sofort eingesetzt, nicht mal in einer Hafenstadt wie Agamid. Ich kann nur das Menschenmögliche tun. Letztlich geht es immer nach dem Willen der Götter.«
    »Stimmt nicht«, erwiderte ihr Entführer. »Wenn wir den Autarchen nicht einholen, werden Euch nicht einmal die Götter retten können, Kapitän. Das verspreche ich Euch.«
    Qinnitan schlich auf Zehenspitzen zurück und legte sich zu Spatz ins Bett. Die Laken waren feucht und die Haut des Jungen war mit Schweiß überzogen. Hatte er sich irgendein Fieber geholt? Fast wünschte sie es. Sie würden dem Mörder, der sie entführt hatte, einen hübschen Streich spielen, wenn sie beide an irgendeiner banalen Krankheit starben, bevor er sie ihrem Schicksal ausliefern konnte.
    »Schscht«, flüsterte sie dem fröstelnden Kind zu, »es wird alles gut, mein Spätzchen. Alles wird gut ...«
    Doch ihre Gedanken überschlugen sich. Sie waren in Agamid, hatte der Kapitän gesagt, und dank der Gnade der heiligen Bienen kannte sie diesen Namen: Es war eine Stadt an der Südostküste Eions, gleich nördlich von Devonis. Eins der Mädchen in den Waschkellern der Zitadelle war aus Agamid gewesen. Qinnitan krempelte ihr Gedächtnis regelrecht um, konnte sich aber nur daran erinnern, dass das Mädchen erzählt hatte, sowohl Devonis als auch Jael hätten über so lange Zeit immer wieder Anspruch auf die Hafenstadt erhoben, dass die Bevölkerung mehrere Sprachen spreche. Das half ihr auch nicht weiter. Was sie jetzt brauchte, war eine Möglichkeit, vom Schiff zu fliehen, solange ihr Feind weg war. Wenn ihr doch nur irgendein Ablenkungsmanöver einfiele!
    »Vertraust du mir?«, fragte sie den stummen Jungen kurz darauf. »Spatz, vertraust du mir?«
    Eine ganze Weile reagierte er gar nicht, und sie befürchtete schon, er wäre womöglich zu krank, um irgendetwas zu tun, geschweige denn sein Leben bei einem Fluchtversuch zu riskieren. Doch dann öffnete er die Augen und nickte.
    »Gut«, sagte sie. »Ich habe nämlich eine Idee, aber es ist ein bisschen beängstigend. Versprich mir, dass du nicht in Panik gerätst, ganz gleich, was passiert.«
    Langsam kam seine magere Hand unter der einzigen, fadenscheinigen Decke hervor und drückte ihre.
    »Dann hör zu. Wir haben nur eine Chance, es hinzukriegen.« Und wenn es schiefging, würde mindestens einer von ihnen sterben. Das sagte sie nicht, aber Spatz wusste es bereits. Sie waren sowieso schon so gut wie tot, seit dieser namenlose Mann sie auf das Flaggschiff des Autarchen geschleppt hatte.
    Fieber oder Feuer,
dachte sie,
jedenfalls verbrenne ich lieber, als dass ich je wieder den Autarchen Hand an mich legen lasse.

9

Tod in den Äußeren Hallen
    Kobolde, vor allem solche der größeren, einzelgängerischen Art, waren in entlegenen Teilen Eions auch nach dem zweiten Elbenkrieg noch anzutreffen. So wurde im markenländischen Kertewall zur Zeit König Ustins ein Kobold getötet; den Leichnam stellte man aus, und alle, die ihn
sahen,

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