Die Daemonen 01 - Die Daemonen
Zähne zusammen und begann leicht zu zittern. König Tenmac III. betrachtete diesen Versuch des liebevollen Tränenvergießens mit großem Interesse, gestaltete er sich doch ganz anders, als er das vielleicht vermutet hätte.
Benesand spürte, wie die Situation ihm zu entgleiten und peinlich zu werden drohte.
Im letzten Moment, bevor sein Zorn in Hass umschlagen konnte und er laut aufschrie, dachte er noch an etwas ganz schrecklich Rührendes: die Geschichte vom kleinen Hummelchen, das nur einen einzigen Tag zu leben hatte und dennoch glücklich war, weil es die Sonne kennenlernen durfte. Diese Geschichte hatte seine liebe Mutter ihm wieder und wieder vorlesen müssen, und bei der Szene, wo das kleine Hummelchen dann für immer die Augen schloss, hatte der junge Faur stets weinen müssen. Glücklicherweise auch jetzt. Er stellte sich das Hummelchen etwas schlanker als in der Erzählung seiner Mutter und mit seinen eigenen Zügen vor. Die Sonne dagegen war düster, dunkelhaarig, sinnlich und fern. Eine einzige Träne bildete sich in seinem rechten Auge, wurde durch ein anstrengendes Vermeiden jeglichen Blinzelns zusätzlich gefördert und ließ sich schließlich mit der Fingerbeere ablösen. »So«, sagte Benesand erleichtert, »hier ist sie, eine Träne, Zeugnis meiner unsterblichen Liebe zu meiner Herrin, der Baroness Meridienn den Dauren. Möge diese Träne dem Dämonenschlund Kühlung und Mildtätigkeit sein!« Mit großer Geste schnippte er die Träne in den Abgrund. Der König und sein Berater schauten ihr hinterher, verloren sie aber schon im Fall aus den Augen.
Nun nahm der König sich nicht einen, sondern beide Ohrringe aus den zum Zeichen königlicher Erbwürde durchstochenen Ohrläppchen, sagte: »Dies ist voneinem König dieser Welt, als Zeichen der Wertschätzung und des Verstehens« und ließ die beiden kleinen Schmuckstücke aus der offenen Handfläche in die Tiefe rieseln. Diesmal konnte man ihren Sturz gut verfolgen. Lautlos tauchten sie in den ewigen Kreislauf ein und blieben verschwunden. Der Strudel veränderte sich nicht.
Zu dritt schauten sie noch eine Weile in die Tiefe, dann seufzte der König. »Es wird Abend und kühler.Lasst uns das Äußere Schloss noch erreichen, bevor die Nacht hereinbricht.«
Sie gingen zurück zu den anderen, und Eiber Matutin war mehr als erleichtert darüber, dass keinem von ihnen etwas zugestoßen war.
Zwei Dämonen
Die Träne Faur Benesands ging in den Strudel ein, wurde zerdehnt, zerfloss, zerstäubte, teilte und vervielfachte sich.
Bilder waren in ihr enthalten. Wirbelnde Bilder. Farbenpracht.
Bilder von einem Insekt mit langem blondem Haar, ein Ritter, ein Krieger, jedoch ein fröhlicher.
Bilder von einer Sonne, die eine betörend schöne Frau war, deren Strahlen jedoch eher kalt und schmerzhaft wirkten als warm und lieblich.
Dem Insekt fielen die Haare aus, sodass es noch seltsamer aussah. Gar nicht mehr so fröhlich, aber immer noch ein Ritter und Krieger.
Dann sah man die Sonne in heftiger Bewegung mit einer Gewitterwolke im Heu.
Dann die Sonne älter werden, ein faltiges, runzeliges Sonnchen. Die Wolke im Heu verging zu Heu. Das runzelige Sonnchen wurde matter und matter.
Das Insekt tauchte wieder auf. Haarlos, gebrechlich und melancholisch zwar, aber immer noch von anderen, weiblichen Insekten umschwärmt. Es summte und brummte.
Ein Schloss war zu sehen. Hoch und streng ragte es auf in den Himmel. Es stand in der Mitte eines tortenstückgeformten Landesteils.
Der Strudel nahm das Schloss, zerdehnte es zu einer Ansammlung von Schlössern, ließ diese zerfließen zu einer Art Stadt, zerstäubte die Stadt zu vielen identischen Städten, die nachts am Himmel funkelten als Sterne, teilte den Himmel und vervielfachte ihn, dass er erst faltbar wurde und dann Stapel bildete.
Ein Raunen und Beben lief durch den Strudel.
Wesen rührten sich. Wesen, die älter waren als der Strudel selbst, älter auch als die Menschheit.
Zungen bildeten sich aus und leckten an den Tränentrümmern. Finger bildeten sich aus und streichelten andächtig die flüssigen Oberflächen. Augen bildeten sich aus, fremdartige, seltsam geformte Augen, und betrachteten die Bilder in der Träne. Stimmen murmelten einander ihre Wahrnehmungen zu, um sich selbst in ihrer Existenz zu bestätigen.
Dann kamen die beiden Ohrringe.
Sie waren winzig, kleiner als die Fingerkuppe eines Menschen, doch sie hätten ebenso gut Meteoriten sein können oder stürzende Planeten. Ein Dämon hat
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