Die Daemonen 01 - Die Daemonen
keine Größe, kein Alter, kein Geschlecht. Er ist ewig und seit Jahrtausenden gefangen im Strudel dieses Schlundes, gefangen, weil ein Magier namens Orison alle Magie hierhin verbannte, wo sie leichter vergessen werden kann.
Wie viele Dämonen gab es? Niemand vermochte dieszu sagen. Möglicherweise schwankte ihre Anzahl sogar. Manchmal zellteilte sich ein Dämon, brach auf, detonierte im Wirbeln des Strudels – dann bildeten sich aus den Bruchstücken neue Dämonen, und es gab plötzlich mehr Dämonen als vorher. Dann wieder klumpten welche im Rasen des Strudels zusammen und wurden so weniger. Lebte ein Dämon? Hatte er einen Körper? Er lebte, weil er litt. Er besaß einen Leib und ein charakteristisches Aussehen, nicht zwei von ihnen sahen gleich aus. Auch ihre Größe unterschied sich voneinander. Im Kreislauf des Strudels jedoch ähnelten alle einander, waren alle wie Schlieren, ohne festen Halt. Im Strudel war es nicht einfach, einen bleibenden Körper aufrechtzuerhalten. Meistens war es eher die Erinnerung an eine Körperlichkeit, die einen Dämon von einem anderen unterschied. Der Strudel war die Dämonen. Alle Dämonen zusammen bildeten in ihrer Masse den Strudel. Wie alt konnte ein Dämon werden? Älter als die Welt. Wie weit zurück reichte seine Erinnerung? Bis an den Anfang und darüber hinaus bis in einen Bereich, wo Halluzinationen sich mit wirklich Erlebtem mischten. Was dachte ein Dämon? Flucht! Flucht! Flucht! Was fühlte er? Schmerz und Ungerechtigkeit . Was nahm er wahr? Die Geschwindigkeit des Strudels, den Schwindel, die Bewegung, das Rauschen des Strudels, den Lärm. Vielleicht noch die hoch aufragende, kreisförmige Schlundwand und eine unerreichbare Ahnung von Freiheit darüber. Wie viel Macht besaß er? Keine, denn er war gefangen. Was war ein Dämon? Gut oder böse? Ein Dämon war beides und alles. Er war nichts, so lange er sich nicht selbst geformt hatte.
Einer von ihnen, sein Name war Irathindur, griff nach einem der vorüberkreiselnden Ohrringe und hielt sich daran fest. Den anderen Ring schnappte sich ein Dämon namens Gäus.
Irathindur sah menschenähnlich aus. Zwei Arme, zwei Beine, ein Kopf. Er war von gelblich-eitriger Farbe, sehr schlank, beinahe stäbchendünn, sein Kopf war schmal wie eine Spindel, nasenlos, glotzäugig, mit einem winzigen Spitzmund. Gäus dagegen wirkte unmenschlicher. Er besaß sechs Arme – drei auf jeder Körperseite – und drei Beine – das dritte entsprang am Steißbein –, auf denen er sehr stabil wie auf einem Dreieck stehen konnte. Sein Leib war kohlefarben dunkel, stachelig und untersetzt. Er besaß keine Augen in seinem gedrungenen Schädel, dafür Dutzende von katzenartigen Tasthaaren rund um das hauerbewehrte Maul.
Beide, Irathindur und Gäus, waren im Augenblick ihrer Ausformung nicht viel größer als ein herkömmliches Insekt. Nur in dieser Kleinheit konnten sie sich an den Ohrringen des Königs festhalten wie Schiffbrüchige an den Planken ihres gesunkenen Bootes.
Der Strudel wirbelte die Ringe umher. Irathindur und Gäus hielten sich anfangs nur mit Mühe, nach einigen Umdrehungen jedoch ritten sie bereits auf den Ringen wie auf einer Scheibe, die durch Neuschnee gleitet. Sie klammerten sich fest, legten die Ohren an und widerstanden dem Gegenwind und dem Ansturm der Elemente. Andere Dämonen wollten sie packen und von den Ringen reißen, doch die beiden Ohrringbändiger wehrten alle Angriffe ab. Blitze krachten im Inneren des Strudels. Hagel prasselte. Flammenregen. Magma. Immerwieder Sturmwinde und Böen. Auch verzerrte Stimmen, die Drohungen riefen, Warnungen oder um Hilfe. Nach unten hin gab es kein Ende. Aber oben konnte man manchmal den Mond sehen und die glitzernden Städte des Nachthimmels. Oben musste es ein Ende geben oder zumindest ein lohnendes Ziel.
Unabhängig voneinander lernten Irathindur und Gäus, ihre Ringe im Gleiten aufwärts zu lenken. Langsam, kaum merklich, aber über Stunden betrachtet dann doch deutlich, stiegen sie in den wirbelnden Schichten des Strudels nach oben.
Dann durchstießen sie beide beinahe gleichzeitig die Oberfläche, die immer noch mehr als hundert Schritt vom oberen Rand des Schlundloches entfernt war. Nichts als senkrechte Wände ringsum. Nichts als rotierende Geschwindigkeit.
Irathindur und Gäus wussten nichts voneinander, bis sie sich zum ersten Mal erblickten. Sie staunten, dass es da noch jemanden gab, der ebenfalls auf einem Ring saß und lenkte.
Gäus war der Erste, der
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