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Die Dämonen

Titel: Die Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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gewaltig viel zu essen pflegte und den Atheismus gewaltig verabscheute, der geriet auf einer Abendgesellschaft bei Warwara Petrowna mit einem berühmten Jünglinge in Streit. Dieser sagte ihm gleich zu Anfang des Wortwechsels: »Wenn Sie so reden, sind Sie ein General«, womit er sagen wollte, daß er ein stärkeres Schimpfwort als »General« überhaupt nicht finden könne. Iwan Iwanowitsch brauste heftig auf: »Ja, mein Herr, ich bin General, und zwar Generalleutnant und habe meinem Kaiser gedient; aber Sie, mein Herr, sind ein grüner Junge und ein Gottesleugner!« Es folgte eine häßliche Skandalszene. Am andern Tage wurde der Fall in der Presse erörtert, und man begann Unterschriften zu einem Kollektivprotest gegen Warwara Petrownas »ungehöriges Verhalten« zu sammeln, weil sie dem General nicht hatte sogleich die Tür weisen wollen. In einem illustrierten Journale erschien eine boshafte Karikatur, in welcher auf ein und demselben Bildchen Warwara Petrowna, der General und Stepan Trofimowitsch als drei reaktionäre Freunde dargestellt waren; dem Bildchen waren auch einige Verse beigefügt, die ein Volksdichter expreß für den vorliegenden Fall verfaßt hatte. Ich bemerke noch von mir aus, daß tatsächlich viele Personen im Generalsrang die lächerliche Gewohnheit haben zu sagen: »Ich habe meinem Kaiser gedient«, gerade wie wenn sie nicht denselben Kaiser hätten wie wir einfachen Staatsbürger, sondern einen besonderen für sich.
    Länger in Petersburg zu bleiben war natürlich nicht möglich, um so weniger da auch Stepan Trofimowitsch ein entschiedenes Fiasko machte. Er hatte sich nicht enthalten können, über die Rechte der Kunst zu sprechen, und da lachte man ihn noch mehr aus als schon vorher. Bei seiner letzten Vorlesung gedachte er durch politische Beredsamkeit zu wirken; er bildete sich ein, es werde ihm gelingen, die Herzen zu rühren, und rechnete darauf, daß man ihn wegen der »Verfolgungen«, denen er ausgesetzt gewesen sei, respektieren werde. Er gab die Wertlosigkeit und Lächerlichkeit des Wortes »Vaterland« widerspruchslos zu; auch mit der Anschauung, daß die Religion schädlich sei, erklärte er sich einverstanden; aber er sprach sich laut und mit Festigkeit dahin aus, daß Puschkin mehr wert sei als ein Paar Stiefel, sogar erheblich viel mehr. Er wurde erbarmungslos ausgepfiffen, so daß er gleich auf dem Fleck, ohne von der Rednerbühne hinabzusteigen, in aller Öffentlichkeit in Tränen ausbrach. Warwara Petrowna brachte ihn mehr tot als lebendig nach Hause.
»On m'a traité comme un vieux bonnet de coton!«
stammelte er halb bewußtlos. Sie pflegte ihn die ganze Nacht über, gab ihm Kirschlorbeertropfen und wiederholte ihm bis zum Tagesgrauen: »Sie sind auf der Welt noch nützlich; Sie werden noch zeigen, was Sie leisten können; Sie werden an einem andern Orte gebührend gewürdigt werden.«
    Gleich am andern Tage erschienen bei Warwara Petrowna früh morgens fünf Literaten, von denen ihr drei ganz unbekannt waren; sie hatte sie nie gesehen. Sie erklärten ihr mit ernster Miene, sie hätten die Angelegenheit mit ihrem Journal erwogen und darüber Beschluß gefaßt. Warwara Petrowna hatte absolut nie und niemandem den Auftrag gegeben, in betreff ihres Journals etwas zu erwägen und einen Beschluß zu fassen. Der Beschluß bestand darin, sie solle, sobald sie das Journal werde gegründet haben, ihnen dasselbe sofort mitsamt dem erforderlichen Kapitale übergeben, und zwar mit den Rechten einer freien Handelsgesellschaft; sie selbst solle nach Skworeschniki zurückreisen und nicht vergessen, Stepan Trofimowitsch mitzunehmen, »der schon recht alt geworden sei«. Aus Zartgefühl erklärten sie sich bereit, ihr das Eigentumsrecht zuzuerkennen und ihr jährlich ein Sechstel des Gewinnes zuzusenden. Das rührendste war dabei, daß von diesen fünf Leuten aller Wahrscheinlichkeit nach vier keinerlei eigennützige Absicht hatten, sondern sich nur im Namen der »gemeinsamen Sache« so viel Mühe machten.
    »Wir waren, als wir abfuhren, wie betäubt,« erzählte Stepan Trofimowitsch; »ich konnte keinen klaren Gedanken fassen, und ich erinnere mich, daß ich beim Klappern der Waggonräder immer nur ein paar sinnlose Verse vor mich hinmurmelte, bis dicht vor Moskau. Erst in Moskau kam ich wieder ordentlich zur Besinnung, als ob ich dort tatsächlich in eine andere Atmosphäre gelangt wäre.« »O meine Freunde!« rief er manchmal in edler Erregung aus, »Sie können es sich gar nicht

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