Die Dämonen
recht originelle Methoden verfallen ... aber selbstverständlich nur theoretisch. Was aber ihre hiesigen Absichten anlangt, so ist ja die Bewegung unserer russischen Organisation etwas so Dunkles und fast immer etwas so Unerwartetes, daß man bei uns in der Tat auf alles gefaßt sein muß. Beachten Sie auch, daß Werchowenski ein hartnäckiger Mensch ist!«
»Diese Wanze, dieser Ignorant, dieser Dummkopf, der von Rußland nichts versteht!« schrie Schatow aufgebracht.
»Da kennen Sie ihn schlecht. Allerdings verstehen sie überhaupt alle wenig von Rußland, aber doch nicht viel weniger als Sie und ich; und außerdem ist Werchowenski ein Schwärmer.«
»Werchowenski ein Schwärmer?«
»O ja. Es gibt einen Punkt, wo er aufhört, ein Hansnarr zu sein, und sich in einen Halbverrückten verwandelt. Erinnern Sie sich, bitte, an einen Ausspruch, den Sie selbst einmal getan haben: ›Wissen Sie, wie stark ein einzelner Mensch sein kann?‹ Bitte, lachen Sie nicht; er ist sehr wohl imstande, den Hahn einer Pistole abzudrücken. Diese Menschen sind überzeugt, daß auch ich ein Spion bin. Weil sie ihre Sache nicht durchzuführen verstehen, sind sie alle sehr geneigt, jemanden der Spionage zu beschuldigen.«
»Aber Sie fürchten sich ja nicht.«
»N-nein ... Ich fürchte mich nicht sehr ... Aber Ihre Sache liegt ganz anders. Ich habe Sie gewarnt, damit Sie sich jedenfalls in acht nehmen. Meiner Ansicht nach brauchen wir uns nicht dadurch gekränkt zu fühlen, daß uns von Dummköpfen Gefahr droht: die Sache selbst geht über ihren Verstand, und gegen Leute, die, wie Sie und ich, von anderer Art sind als sie, heben sie die Hand auf. Indessen es ist ein Viertel auf zwölf,« sagte er nach einem Blicke auf die Uhr und stand vom Stuhle auf. »Ich möchte gern noch eine ganz andersartige Frage an Sie richten.«
»Um Gottes willen!« rief Schatow und sprang hastig auf.
»Was haben Sie?« Nikolai Wsewolodowitsch sah ihn fragend an.
»Fragen Sie, fragen Sie, wenn es sein muß!« rief Schatow in unbeschreiblicher Aufregung. »Aber unter der Bedingung, daß auch ich Ihnen eine Frage vorlegen darf. Ich bitte Sie inständig, es mir zu erlauben ... ich muß notwendig ... Sprechen Sie Ihre Frage aus!«
Stawrogin wartete einen Augenblick und begann dann:
»Ich habe gehört, daß Sie hier auf Marja Timofejewna einigen Einfluß hatten, und daß sie Sie gern sah und gern reden hörte. Verhält es sich so?«
»Ja ... sie hörte mich gern reden,« erwiderte Schatow etwas verlegen.
»Ich habe die Absicht, in den nächsten Tagen meine Ehe mit ihr hier in der Stadt öffentlich bekannt zu geben.«
»Ist das denn möglich?« flüsterte Schatow ganz erschrocken.
»Wie meinen Sie das? Die Sache hat keine Schwierigkeiten; die Trauzeugen sind hier. Es ist damals in Petersburg alles in völlig gesetzlicher, ordnungsmäßiger Weise zugegangen, und wenn es bisher nicht veröffentlicht worden ist, so ist dies nur deshalb unterblieben, weil die beiden einzigen Trauzeugen, Kirillow und Peter Werchowenski, und schließlich Lebjadkin selbst (den ich die Ehre habe jetzt meinen Verwandten zu nennen) ihr Wort darauf gaben, zu schweigen.«
»Das meinte ich nicht ... Sie sprechen so ruhig davon ... aber fahren Sie fort! Hören Sie, sind Sie nicht etwa mit Gewalt zu dieser Ehe gezwungen worden? Wie?«
»Nein, es hat mich niemand mit Gewalt dazu gezwungen,« versetzte Nikolai Wsewolodowitsch, über Schatows eilige, hitzige Frage lächelnd.
»Und was redet sie denn von ihrem Kinde?« fragte Schatow in fieberhafter Hast und zusammenhangslos.
»Sie redet von einem Kinde? Oh! Das wußte ich nicht; das höre ich zum erstenmal. Sie hat kein Kind gehabt und konnte keines haben: Marja Timofejewna ist Jungfrau.«
»Ah! Habe ich es doch gedacht! Hören Sie!«
»Was ist Ihnen, Schatow?«
Schatow verbarg das Gesicht in den Händen und wandte sich um; aber plötzlich faßte er Stawrogin kräftig an den Schultern.
»Wissen Sie wenigstens, wissen Sie wenigstens,« schrie er, »weswegen Sie das alles angerichtet haben, und weswegen Sie sich jetzt zu einer solchen Buße entschließen?«
»Ihre Frage ist verständig und kränkend; aber ich beabsichtige, Sie ebenfalls in Verwunderung zu versetzen: ja, ich weiß beinahe, weswegen ich mich damals verheiratet habe und weswegen ich mich jetzt zu einer solchen ›Buße‹, wie Sie sich ausdrücken, entschließe.«
»Lassen wir das jetzt ... davon später; warten Sie noch mit Ihrer Mitteilung; reden wir von der
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