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Die Dämonen

Titel: Die Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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sich alle bereits die feststehende Meinung gebildet, sie sei ein ganz gewöhnliches Mädchen und kokettiere mit ihren kranken Nerven. Ihre Ohnmacht am Tage von Nikolai Wsewolodowitschs Ankunft erklärte man jetzt ganz einfach als eine Folge des Schrecks über das ungeheuerliche Benehmen des Studenten. Man betonte sogar übermäßig den prosaischen Charakter eben des Begebnisses, dem man vorher eine Art von phantastischem Kolorit zu geben gesucht hatte; und an eine gewisse lahme Frauensperson dachte man überhaupt nicht mehr; man genierte sich, sie auch nur zu erwähnen. »Und wenn auch hundert lahme Frauenspersonen da wären, – wer ist nicht einmal jung gewesen?« hieß es. Man hob Nikolai Wsewolodowitschs respektvolles Benehmen gegen seine Mutter hervor, fand an ihm diese und jene Tugenden und sprach wohlwollend von dem Wissen, das er sich in den vier Jahren auf deutschen Universitäten erworben habe. Artemi Petrowitschs Verhalten wurde entschieden als taktlos bezeichnet, als eine Verkennung der Pflichten gegen einen Standesgenossen; Julija Michailowna erklärte man für eine überaus scharfsinnige Dame.
    So kam es, daß, als endlich Nikolai Wsewolodowitsch selbst erschien, alle ihm mit dem naivsten Ernste begegneten und in allen Augen, die auf ihn gerichtet waren, die ungeduldigste Erwartung zu lesen war. Nikolai Wsewolodowitsch hüllte sich sogleich in das strengste Schweigen, was alle selbstverständlich weit mehr billigten, als wenn er eine Unmenge zusammengeredet hätte. Kurz, alles glückte ihm; er war in die Mode gekommen. Wer sich einmal in der Gesellschaft der Gouvernementsstadt gezeigt hatte, konnte sich nachher auf keine Weise wieder verbergen. Nikolai Wsewolodowitsch begann wieder wie früher alle gesellschaftlichen Gebräuche der Gouvernementsstadt auf das peinlichste zu erfüllen. Man fand ihn nicht heiter: »Der junge Mann hat viel gelitten,« hieß es; »er ist ein anderer Mensch wie andere Leute; er hat allen Anlaß, nachdenklich zu sein.« Selbst sein Stolz und seine launenhafte Unzugänglichkeit, um derentwillen er bei uns vier Jahre vorher so gehaßt worden war, wurden jetzt geachtet und gefielen wohl.
    Am meisten triumphierte Warwara Petrowna. Ich kann nicht sagen, ob sie sich über die Zerstörung ihrer Zukunftsträumereien in betreff Lisaweta Nikolajewnas sehr grämte. Auch der Familienstolz half dabei natürlich sehr mit. Eins war merkwürdig: Warwara Petrowna war auf einmal ganz fest davon überzeugt, daß Nikolai tatsächlich bei dem Grafen K*** »seine Wahl getroffen« habe; aber (und das war das Allermerkwürdigste) sie war davon nur auf Grund von Gerüchten überzeugt, die ihr wie allen anderen der Wind zugetragen hatte; Nikolai Wsewolodowitsch selbst zu fragen fürchtete sie sich. Ein paarmal allerdings konnte sie sich doch nicht beherrschen und machte ihm in heiterem Tone unter vier Augen Vorwürfe, daß er ihr gegenüber nicht recht offen sei; Nikolai Wsewolodowitsch lächelte und fuhr fort zu schweigen. Das Schweigen faßte sie als Zeichen der Zustimmung auf. Aber bei alledem wurde sie den Gedanken an die Lahme nicht los. Dieser Gedanke lag ihr wie ein Stein, wie ein Alp auf dem Herzen und ängstigte sie durch sonderbare Träume und Ahnungen, und das alles zusammen und gleichzeitig mit den hoffnungsvollen Vermutungen in betreff der Töchter des Grafen K***. Aber davon wird noch später die Rede sein. Selbstverständlich begann man in der Gesellschaft sich gegen Warwara Petrowna wieder mit außerordentlicher Zuvorkommenheit und Hochachtung zu benehmen; aber sie nutzte das nur wenig aus und machte nur sehr selten Besuche.
    Indessen stattete sie der Frau Gouverneur eine feierliche Visite ab. Natürlich konnte niemand von den oben angeführten bedeutsamen Worten, welche Julija Michailowna auf der Abendgesellschaft bei der Frau Adelsmarschall gesprochen hatte, in höherem Grade entzückt und bezaubert sein als sie: diese Worte hatten ihr viel Kummer aus der Seele genommen und mit einem Male vieles beseitigt, was sie seit jenem unglücklichen Sonntage so gequält hatte. »Ich habe diese Frau nicht verstanden!« äußerte sie und sagte mit dem ihr eigenen Ungestüm zu Julija Michailowna geradezu, sie sei gekommen, um ihr zu danken. Julija Michailowna fühlte sich geschmeichelt, vermied es aber, familiär zu werden. Sie fing in jener Zeit bereits sehr an, sich ihres eigenen Wertes bewußt zu sein, vielleicht sogar etwas zu sehr. Sie äußerte zum Beispiel im Laufe des Gespräches, sie habe

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