Die Dämonen
will unbedingt sehen, wie Sie da knien. Wenn Sie es nicht tun, dann dürfen Sie nie wieder zu mir kommen. Ich will es unbedingt; unbedingt will ich es!«
Ich weiß nicht, was sie damit beabsichtigte; aber sie stellte ihre Forderung mit einer unerbittlichen Hartnäckigkeit wie in einem Krankheitsanfall. Mawriki Nikolajewitsch erklärte sich, wie wir später sehen werden, bei ihr solche namentlich in der letzten Zeit häufigen launischen Anwandlungen als Ausbrüche eines blinden Hasses gegen ihn, eines Hasses, der nicht etwa auf böser Gesinnung beruhte (vielmehr achtete, liebte und schätzte sie ihn sehr, und er selbst wußte das), sondern ein eigenartiger, unbewußter Haß war, den sie zu gewissen Zeiten schlechterdings nicht zu unterdrücken vermochte.
Er übergab sein Teeglas schweigend einer hinter ihm stehenden alten Frau, öffnete die Tür im Gitter, ging ohne Einladung in Semjon Jakowlewitschs reservierte Hälfte und kniete in der Mitte des Raumes vor aller Augen nieder. Ich glaube, daß er in seiner zartfühlenden, ehrlichen Seele durch den plumpen Scherz, den sich Lisa angesichts der ganzen Gesellschaft erlaubte, sich tief verletzt fühlte. Vielleicht meinte er, sie werde sich ihres Benehmens schämen, wenn sie seine Erniedrigung sähe, auf der sie so eigensinnig bestanden hatte. Allerdings hätte es wohl niemand außer ihm versucht, eine Frau auf eine so naive, gewagte Weise zu bessern. So lag er nun da auf den Knien, mit seinem unerschütterlichen Ernst im Gesichte, mit seiner langen Gestalt, in ungeschickter, lächerlicher Haltung. Aber die Unsrigen lachten nicht; der überraschende Vorgang brachte eine peinliche Wirkung hervor. Alle blickten Lisa an.
»Öl, Öl!« murmelte Semjon Jakowlewitsch.
Lisa wurde auf einmal ganz blaß, schrie auf und eilte nach der andern Seite des Gitters. Hier spielte sich mit großer Geschwindigkeit eine sehr aufgeregte Szene ab: sie bemühte sich mit aller Kraft, Mawriki Nikolajewitsch aus seiner knienden Stellung aufzuheben, indem sie ihn mit beiden Händen an den Ellbogen faßte.
»Stehen Sie auf, stehen Sie auf!« rief sie wie von Sinnen. »Stehen Sie sofort auf, sofort! Wie konnten Sie das nur tun!«
Mawriki Nikolajewitsch erhob sich von den Knien. Sie preßte mit ihren Händen seine Arme oberhalb der Ellbogen zusammen und sah ihm unverwandt ins Gesicht. Eine große Angst lag in ihrem Blicke.
»Liebäugler, Liebäugler!« sagte Semjon Jakowlewitsch noch einmal.
Sie zog endlich Mawriki Nikolajewitsch wieder nach der andern Seite des Gitters; in dem ganzen Schwarm der Unsrigen machte sich eine starke Bewegung bemerklich. Die Dame aus unserem Wagen, die wahrscheinlich diesen Eindruck zu verwischen wünschte, fragte Semjon Jakowlewitsch zum dritten Male mit heller, klagender Stimme und wie früher mit einem affektierten Lächeln:
»Nun, Semjon Jakowlewitsch, werden Sie mir denn wirklich gar nichts sagen? Und ich hatte doch so bestimmt darauf gerechnet!«
»Du kannst ...« sagte auf einmal Semjon Jakowlewitsch, zu ihr gewendet, und bediente sich dabei eines ganz unerlaubten Ausdrucks, den er grimmig und mit erschreckender Deutlichkeit aussprach. Unsere Damen kreischten auf und liefen Hals über Kopf hinaus; die Herren brachen in ein homerisches Gelächter aus. Damit endete unsere Fahrt zu Semjon Jakowlewitsch.
Und doch ereignete sich dabei, wie man sagt, noch ein höchst rätselhafter Vorfall, und um seinetwillen habe ich eigentlich diese Fahrt so ausführlich erzählt.
Man sagt, als alle in dichtem Schwarm herausströmten, sei Lisa, die von Mawriki Nikolajewitsch am Arm geführt wurde, auf einmal in der Tür im Gedränge mit Nikolai Wsewolodowitsch zusammengestoßen. Es muß bemerkt werden, daß die beiden seit jenem Sonntagvormittag und seit jener Ohnmacht einander zwar mehrfach begegnet, aber nie in persönliche Berührung miteinander gekommen waren und kein Wort miteinander gewechselt hatten. Ich sah, wie sie in der Tür zusammentrafen; es kam mir vor, als ob sie beide einen Augenblick stutzten und einander sonderbar ansähen. Aber ich konnte in dem dichten Haufen schlecht sehen. Es wurde aber behauptet, und zwar ganz ernst, daß Lisa Nikolai Wsewolodowitsch angesehen, schnell die Hand bis zur Höhe seines Gesichtes erhoben habe und ihn sicherlich geschlagen haben würde, wenn er sich nicht noch schnell vorher abgewandt hätte. Vielleicht mißfiel ihr der Ausdruck seines Gesichtes oder ein Lächeln auf demselben, besonders jetzt nach dem eigenartigen Vorfall
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