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Die Dämonen

Titel: Die Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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darin vielleicht eine Prophezeiung, Väterchen?«
    »Gewiß, darin liegt eine Prophezeiung,« sagte jemand in der Menge.
    »Noch ein Pfund, noch ein Pfund!« befahl Semjon Jakowlewitsch, der nicht müde wurde zu schenken.
    Auf dem Tische war noch ein ganzer Hut Zucker übriggeblieben; aber Semjon Jakowlewitsch hatte nur befohlen, ein Pfund zu geben, und so gab man denn der Witwe ein Pfund.
    »O Gott, o Gott!« seufzte das Volk und bekreuzte sich. »Eine deutliche Prophezeiung!«
    »Versüßen Sie zuerst Ihr Herz durch Güte und Freundlichkeit, und dann kommen Sie her, um sich über Ihre eigenen Kinder zu beklagen, die doch Bein von Ihrem Bein und Fleisch von Ihrem Fleisch sind! Das ist, wie man annehmen muß, die Bedeutung dieses Sinnbildes,« sagte der dicke, mit dem Tee übergangene Mönch aus dem Kloster leise, aber selbstzufrieden, indem er in einem Anfall gereizter Eitelkeit die Ausdeutung auf sich nahm.
    »Aber was redest du da, Väterchen!« erwiderte die Witwe, die auf einmal zornig wurde. »Sie haben mich mit einem Fangstrick ins Feuer schleppen wollen, als es bei Werchischins brannte. Sie haben mir eine tote Katze in meinen Kasten gelegt, und so sind sie zu jeder Schändlichkeit bereit ...«
    »Jage sie weg, jage sie weg!« rief Semjon Jakowlewitsch mit einer entsprechenden Handbewegung.
    Der Kirchendiener und der Knabe eilten durch die Tür im Gitter nach dem äußeren Teile des Zimmers. Der Kirchendiener faßte die Witwe unter den Arm; sie hatte sich wieder beruhigt und ließ sich zur Tür ziehen, wobei sie sich nach den ihr geschenkten Hüten Zucker umsah, die der Knabe ihr nachschleppte.
    »Einen wegnehmen! Nimm ihr einen wieder weg!« befahl Semjon Jakowlewitsch dem bei ihm zurückgebliebenen Arbeiter.
    Dieser eilte den Hinausgehenden nach, und nach einiger Zeit kehrten alle drei Diener zurück und brachten einen Hut Zucker mit, der der Witwe zuerst geschenkt und nun wieder abgenommen war; die drei andern trug sie jedoch mit sich fort.
    »Semjon Jakowlewitsch,« erscholl eine Stimme von hinten, ganz von der Tür her. »Mir hat von einem Vogel geträumt, von einer Dohle; die kam aus dem Wasser geflogen und flog ins Feuer. Was hat der Traum zu bedeuten?«
    »Kälte,« antwortete Semjon Jakowlewitsch.
    »Semjon Jakowlewitsch, warum haben Sie mir denn nichts geantwortet? Ich interessiere mich doch schon so lange für Sie,« begann unsere Dame wieder.
    »Frage ihn!« befahl Semjon Jakowlewitsch, ohne auf sie zu hören, und wies auf den knienden Gutsbesitzer.

    Der Mönch aus dem Kloster, an den der Befehl zum Fragen gerichtet war, trat gemessenen Ganges an den Gutsbesitzer heran.
    »Womit haben Sie gesündigt? Und war Ihnen nicht befohlen worden, etwas auszuführen?«
    »Ich sollte nicht schlagen, sollte meine Hände im Zaum halten,« antwortete der Gutsbesitzer heiser.
    »Haben Sie das getan?« fragte der Mönch.
    »Es ist mir nicht möglich; meine eigene Kraft trägt den Sieg über mich davon.«
    »Jage ihn fort, jage ihn fort! Mit dem Besen, mit dem Besen!« rief Semjon Jakowlewitsch, wieder heftig gestikulierend.
    Der Gutsbesitzer wartete die Ausführung der Bestrafung nicht ab, sondern sprang auf und lief aus dem Zimmer hinaus.
    »Er hat an seinem Platze ein Goldstück zurückgelassen,« meldete der Mönch und hob einen halben Imperial vom Fußboden auf.
    »Wer soll das bekommen?« sagte Semjon Jakowlewitsch und zeigte mit dem Finger auf den Kaufmann mit den hunderttausend Rubeln.
    Der reiche Mann wagte es nicht, das Geschenk abzulehnen, und nahm das Goldstück hin.
    »Gold zu Golde!« konnte sich der Mönch aus dem Kloster nicht enthalten zu bemerken.
    »Und diesem mit Zucker darin!« befahl Semjon Jakowlewitsch plötzlich und wies auf Mawriki Nikolajewitsch.
    Ein Diener goß Tee ein und wollte ihn versehentlich dem Stutzer mit dem Pincenez bringen.
    »Dem Langen, dem Langen!« berichtigte Semjon Jakowlewitsch.
    Mawriki Nikolajewitsch nahm das Glas entgegen, machte eine militärische Verbeugung und begann zu trinken. Ich weiß nicht warum; aber die Unsrigen wollten sich ausschütten vor Lachen.
    »Mawriki Nikolajewitsch!« wandte sich auf einmal Lisa an ihn. »Der Herr, der da gekniet hat, ist weggegangen; knien Sie an seiner Stelle nieder!«
    Mawriki Nikolajewitsch blickte sie erstaunt an.
    »Ich bitte Sie darum; Sie werden mir damit das größte Vergnügen machen, hören Sie wohl, Mawriki Nikolajewitsch?« sagte sie hartnäckig, eigensinnig und mit fieberhafter Hast. »Tun Sie es ohne Widerrede; ich

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