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Die Dämonen

Titel: Die Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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ich bin ebenso ein Schuft wie Sie und wie alle und kein ordentlicher Mensch. Einen ordentlichen Menschen hat es nirgend gegeben.«
    »Endlich hat er's erraten! Haben Sie wirklich bisher trotz Ihres Verstandes das nicht begriffen, daß alle Menschen von ein und derselben Sorte sind, und daß es keine besseren und schlechteren gibt, sondern nur klügere und dümmere, und daß, wenn alle Menschen Schufte sind (was übrigens Unsinn ist), niemand eine Ausnahme zu sein braucht?«
    »Ah! Sie machen sich wirklich nicht über mich lustig?« fragte Kirillow, ihn einigermaßen verwundert ansehend. »Sie reden mit Wärme und einfach? ... Haben wirklich solche Leute, wie Sie, Überzeugungen?«
    »Kirillow, ich habe nie begreifen können, warum Sie sich töten wollen. Ich weiß nur, daß Sie es infolge einer Überzeugung tun wollen, infolge einer festen Überzeugung. Aber wenn Sie das Bedürfnis verspüren, sozusagen Ihr Herz auszuschütten, so stehe ich zu Ihren Diensten ... Nur müssen wir dabei die Zeit im Auge behalten.«
    »Was ist die Uhr?«
    »Oh, gerade zwei,« antwortete Peter Stepanowitsch nach einem Blicke auf die Uhr und zündete sich eine Zigarette an.
    »Es scheint, daß ich mich noch mit ihm werde einigen können,« dachte er bei sich.
    »Ich habe Ihnen nichts zu sagen,« murmelte Kirillow.
    »Ich erinnere mich, daß Sie mir hier etwas von Gott sagten ... Sie haben es mir ein- oder sogar zweimal auseinandergesetzt. Wenn Sie sich erschießen, so werden Sie ja wohl ein Gott werden, nicht wahr?«
    »Ja, ich werde ein Gott werden.«
    Peter Stepanowitsch lächelte nicht einmal; er wartete; Kirillow sah ihn schlau an.
    »Sie sind ein listiger Betrüger und Intrigant; Sie wollen mich auf die Philosophie bringen, mich in Enthusiasmus versetzen und eine Aussöhnung zustande bringen, um meinen Zorn zu verscheuchen und, wenn ich mich beschwichtigen lasse, die schriftliche Aussage zu verlangen, daß ich Schatow getötet habe.«
    Peter Stepanowitsch antwortete beinah mit natürlicher Offenheit.
    »Na, mag ich immerhin ein solcher Schuft sein; aber ist Ihnen in den letzten Augenblicken nicht alles egal, Kirillow? Nun, weswegen streiten wir uns eigentlich, sagen Sie selbst: Sie sind ein solcher Mensch und ich ein solcher; was folgt denn daraus? Und überdies sind wir alle beide ...«
    »Schufte.«
    »Ja, meinetwegen auch Schufte. Sie wissen ja, daß das nur Worte sind.«
    »Mein ganzes Leben lang habe ich nicht gewollt, daß das nur Worte seien. Ich habe darum gelebt, weil ich das immer nicht wollte. Auch jetzt will ich jeden Tag, daß es nicht Worte seien.«
    »Nun ja, ein jeder sucht sich den Ort, wo er es am besten hat. Der Fisch ... das heißt ein jeder sucht sich den Komfort, der ihm zusagt; das ist die ganze Sache. Das ist schon sehr lange bekannt.«
    »›Komfort‹ sagten Sie?«
    »Na, es lohnt sich nicht, über Worte zu streiten.«
    »Nein, das haben Sie gut gesagt; bleiben wir bei ›Komfort‹. Gott ist notwendig, und darum muß er sein.«
    »Nun, schön.«
    »Aber ich weiß, daß er nicht existiert und nicht existieren kann.«
    »Das ist richtiger.«
    »Begreifen Sie wirklich nicht, daß ein Mensch mit diesen zwei Gedanken nicht unter den Lebenden bleiben kann?«
    »Er muß sich also erschießen, wie?«
    »Begreifen Sie wirklich nicht, daß man sich schon allein deshalb erschießen kann? Begreifen Sie nicht, daß es einen solchen Menschen geben kann, einen einzigen Menschen unter euren tausend Millionen, einen einzigen, der es nicht will und es nicht erträgt?«
    »Ich begreife nur, daß Sie, wie es scheint, schwankend geworden sind ... Das ist sehr häßlich.«
    »Stawrogin ist auch in die Gewalt einer Idee hineingeraten,« sagte Kirillow, der diese Bemerkung gar nicht gehört hatte und mit finsterer Miene im Zimmer auf und ab ging.
    »Wie?« fragte Peter Stepanowitsch aufhorchend. »Was meinen Sie für eine Idee? Hat er selbst Ihnen etwas gesagt?«
    »Nein, ich habe es selbst erraten: wenn Stawrogin glaubt, so glaubt er nicht, daß er glaubt. Wenn er aber nicht glaubt, so glaubt er nicht, daß er nicht glaubt.«
    »Na, Stawrogin hat wohl andere Dinge im Kopfe, die klüger sind als das ...« murmelte Peter Stepanowitsch ärgerlich und verfolgte mit Unruhe die neue Wendung des Gespräches und den blassen Kirillow.
    »Hol's der Teufel, er wird sich nicht erschießen,« dachte er. »Ich habe es immer geahnt; es ist eine Pose des Intellekts und weiter nichts; ach, dieses Lumpenpack!«
    »Sie sind der Letzte, mit dem ich

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