Die Dämonen
können) hatte er, wie es scheint (denn eine bestimmte Behauptung kann ich nicht aussprechen), im Laufe des Tages irgendwoher, am wahrscheinlichsten aus Petersburg, eine geheime Nachricht über eine Gefahr erhalten, die ihm in nächster Zeit drohe. Allerdings sind über diese Zeit bei uns in der Stadt jetzt sehr viele Legenden in Umlauf, und selbst wenn etwas Sicheres bekannt ist, so wissen es doch wohl nur diejenigen, die damit amtlich zu tun haben. Ich meinerseits bin persönlich der Ansicht, daß Peter Stepanowitsch auch irgendwo außerhalb unserer Stadt Geschäfte haben und von daher tatsächlich eine Benachrichtigung erhalten konnte. Ich bin sogar trotz des von Liputin geäußerten dreisten, argen Zweifels überzeugt, daß er tatsächlich noch zwei oder drei Fünferkomitees außer den »Unsrigen« haben konnte, zum Beispiel in den Hauptstädten, und wenn nicht Fünferkomitees, so doch Verbindungen und Beziehungen und vielleicht sogar von sehr merkwürdiger Art. Erst drei Tage nach seiner Abreise ging bei uns in der Stadt aus der Hauptstadt der Befehl ein, ihn unverzüglich zu verhaften, wofür eigentlich, ob für Dinge, die er bei uns begangen hatte, oder für andere, das weiß ich nicht. Dieser Befehl steigerte damals gerade noch das quälende Gefühl einer beinah mystischen Angst, das sich unserer Obrigkeit und der bis dahin in so hartnäckigem Leichtsinn befangenen Gesellschaft beim Bekanntwerden der geheimnisvollen, bedeutsamen Ermordung des Studenten Schatow und der außerordentlich rätselhaften Begleitumstände bemächtigt hatte, einer Mordtat, die das Maß der bei uns vorgekommenen unerhörten Dinge voll machte. Aber der Befehl kam zu spät: Peter Stepanowitsch befand sich damals schon unter fremdem Namen in Petersburg; dort spürte er, wie die Sache stand, und entwischte im Nu ins Ausland ... Aber ich greife gar zu sehr vor.
Er trat bei Kirillow mit böser, ärgerlicher Miene ein. Er wollte, wie es schien, abgesehen von der Hauptsache, mit Kirillow noch persönlich ein Hühnchen pflücken, sich für etwas an ihm rächen. Kirillow freute sich anscheinend über sein Kommen; offenbar hatte er schon sehr lange und mit schmerzlicher Ungeduld auf ihn gewartet. Sein Gesicht war ungewöhnlich blaß, der Blick der schwarzen Augen starr und unbeweglich.
»Ich dachte schon, Sie würden gar nicht mehr kommen,« sagte er mit schwerfälliger Stimme von der Sofaecke aus, aus der er sich übrigens nicht rührte, um den Besuch zu begrüßen.
Peter Stepanowitsch trat vor ihn hin und blickte ihm, ehe er ein Wort sprach, forschend ins Gesicht.
»Also ist alles in Ordnung, und wir werden von unserem Vorhaben nicht zurücktreten, Sie tapferer Held!« sagte er mit einem beleidigenden, gönnerhaften Lächeln. »Nun, was macht das?« fügte er mit häßlicher Scherzhaftigkeit hinzu; »wenn ich mich verspätet habe, so können Sie sich darüber nicht beklagen: ich habe Ihnen ja dadurch drei Stunden geschenkt!«
»Ich will von Ihnen keine Stunden dazugeschenkt haben, und Sie können mir nichts schenken, Sie Dummkopf!«
»Wie?« wollte Peter Stepanowitsch auffahren; aber er bezwang sich sofort wieder. »Ist das eine Empfindlichkeit! Ei, ei, sind wir so wütend?« fuhr er langsam und deutlich fort, immer mit derselben Miene beleidigenden Hochmutes. »In einem solchen Augenblicke dürfte vielmehr Ruhe vonnöten sein. Am besten wär's, wenn Sie sich jetzt für einen Kolumbus hielten und auf mich wie auf eine Maus herabblickten, die Sie nicht beleidigen könne. Das hatte ich Ihnen schon gestern empfohlen.«
»Ich will nicht auf Sie wie auf eine Maus herabblicken.«
»Was soll das heißen? Soll es ein Kompliment sein? Übrigens ist auch Ihr Tee kalt; also geht bei Ihnen alles drunter und drüber. Nein, da ist eine gewisse Unzuverlässigkeit zu spüren. Ah! Da sehe ich etwas auf dem Fensterbrett, auf einem Teller« (er trat an das Fenster heran). »Oho, ein gekochtes Huhn mit Reis! ... Aber warum ist noch nicht davon gegessen? Also haben Sie sich in einer solchen Stimmung befunden, daß sogar ein Huhn ...«
»Ich habe gegessen, und das ist nicht Ihre Sache; schweigen Sie!«
»Oh, gewiß, und es ist ja auch ganz egal. Aber für mich ist das jetzt nicht ganz egal: denken Sie sich: ich habe fast gar nicht zu Mittag gegessen, und darum, wenn Sie jetzt dieses Huhn, wie ich annehme, nicht mehr nötig haben, wie?«
»Essen Sie es, wenn Sie können!«
»Nun, dann danke ich Ihnen; aber dann auch Tee!«
Er richtete sich im Nu am
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