Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Dämonen

Titel: Die Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
Vom Netzwerk:
Tische in der anderen Sofaecke ein und machte sich mit außerordentlichem Appetit ans Essen, beobachtete aber gleichzeitig alle Augenblicke sein Opfer. Kirillow sah ihn mit zornigem Widerwillen unverwandt an, wie wenn er nicht imstande wäre, seinen Blick von ihm loszureißen.
    »Aber«, rief Peter Stepanowitsch plötzlich, ohne mit Essen aufzuhören, »wollen wir zur Sache kommen? Also wir treten nicht zurück, nicht wahr? Und das Schriftstück?«
    »Ich bin heute nacht zu dem Schlusse gelangt, daß mir alles egal ist. Ich werde es niederschreiben. Über die Proklamationen?«
    »Ja, auch über die Proklamationen. Ich werde es Ihnen übrigens diktieren. Ihnen ist es ja ganz egal. Wie könnte Sie denn auch der Inhalt in einem solchen Augenblicke beunruhigen!«
    »Das ist nicht Ihre Sache.«
    »Gewiß, das ist nicht meine Sache. Übrigens sind nur ein paar Zeilen erforderlich: daß Sie mit Schatow Proklamationen verbreitet haben, unter anderm mit Beihilfe Fedkas, der sich in Ihrer Wohnung verborgen gehalten habe. Dieser letzte Punkt über Fedka und die Wohnung ist sehr wichtig, sogar der wichtigste. Sie sehen, ich bin gegen Sie ganz offenherzig.«
    »Mit Schatow? Warum mit Schatow? Über Schatow schreibe ich um keinen Preis etwas.«
    »Na aber! Was haben Sie denn? Schaden können Sie ihm dadurch nicht mehr.«
    »Seine Frau ist zu ihm gekommen. Sie wachte vorhin auf und schickte zu mir, um fragen zu lassen, wo er wäre.«
    »Sie hat sich bei Ihnen erkundigen lassen, wo er wäre? Hm ... das paßt nicht in meinen Kram. Da wird sie womöglich noch einmal herschicken; es darf aber niemand wissen, daß ich hier bin ...«
    Peter Stepanowitsch geriet in Unruhe.
    »Sie wird es nicht erfahren; sie schläft wieder; die Hebamme ist bei ihr, Arina Wirginskaja.«
    »So so, und ... sie wird es nicht erfahren, hoffe ich? Wissen Sie, Sie sollten Ihre Haustür zuschließen.«
    »Sie wird nichts erfahren. Und wenn Schatow kommt, werde ich Sie in jenes Zimmer dort verstecken.«
    »Schatow wird nicht kommen; schreiben Sie, daß Sie mit ihm wegen seines Verrates und wegen seiner Denunziation in Streit geraten seien ... heute abend ... und daß Sie an seinem Tode schuld seien.«
    »Er ist tot!« rief Kirillow und sprang vom Sofa auf.
    »Heute abend zwischen sieben und acht, oder richtiger gestern abend zwischen sieben und acht, da es jetzt schon ein Uhr ist.«
    »Sie haben ihn ermordet! ... Das habe ich gestern geahnt!«
    »Das war nicht schwer zu ahnen. Sehen Sie, mit diesem Revolver« (er zog den Revolver heraus, anscheinend, um ihn zu zeigen; aber er steckte ihn nicht wieder ein, sondern behielt ihn schußbereit in der rechten Hand). »Sie sind aber doch ein sonderbarer Mensch, Kirillow; Sie haben doch selbst gewußt, daß es mit diesem dummen Menschen ein solches Ende nehmen mußte. Was war da noch viel zu ahnen? Ich habe Ihnen die Sache ja mehrmals auseinandergesetzt. Schatow bereitete eine Denunziation vor; ich spürte das aus; das durfte unter keinen Umständen geschehen. Und auch Ihnen war ja die Instruktion erteilt worden, ihn zu beobachten, und Sie selbst haben mir vor drei Wochen mitgeteilt ...«
    »Schweigen Sie! Das haben Sie deswegen getan, weil er Ihnen in Genf ins Gesicht gespuckt hat!«
    »Deswegen und aus anderen Gründen. Aus vielen anderen Gründen; übrigens ohne allen Groll. Warum sind Sie denn aufgesprungen? Was nehmen Sie denn für Posen ein? So meinen Sie das?«
    Er sprang auf, hob den Revolver in die Höhe und hielt ihn vor sich hin. Die Sache war die, daß Kirillow auf einmal vom Fensterbrette seinen Revolver genommen hatte, den er schon am Vormittage in Bereitschaft gesetzt und geladen hatte. Peter Stepanowitsch stellte sich in Positur und richtete seine Waffe auf Kirillow. Dieser lachte höhnisch auf.
    »Gestehen Sie nur, Sie Schuft, daß Sie Ihren Revolver hervorgeholt haben, weil Sie fürchteten, ich würde Sie erschießen ... Aber ich werde Sie nicht erschießen ... obgleich ... obgleich ...«
    Er hob den Revolver gegen Peter Stepanowitsch in die Höhe, wie wenn er auf ihn zielte, wie wenn er sich nicht den Genuß versagen könnte, sich vorzustellen, daß er ihn erschösse. Peter Stepanowitsch, immer noch in Positur, wartete und wartete bis zum letzten Augenblicke, ohne den Hahn loszudrücken, obwohl er dabei riskierte, selbst zuerst eine Kugel in die Stirn zu bekommen: von dem »Schauspieler« konnte er sich dessen versehen. Aber der »Schauspieler« ließ schießlich die Hand sinken; er atmete mühsam,

Weitere Kostenlose Bücher