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Die Dämonen

Titel: Die Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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wie ist es zu machen?« rief ich, erfreut aufspringend.
    »Wir wollen einfach hingehen, solange sie noch allein ist. Wenn er kommt und erfährt, daß wir dagewesen sind, dann schlägt er sie. Ich gehe oft heimlich zu ihr. Ich habe ihn heute durchgewalkt, als er wieder anfing, sie zu schlagen.«
    »Was Sie sagen!«
    »Allerdings; an den Haaren habe ich ihn von ihr weggerissen; er wollte mich dafür prügeln; aber ich habe ihn eingeschüchtert, und damit war die Sache zu Ende. Ich fürchte, wenn er betrunken zurückkommt und sich daran erinnert, so schlägt er sie gehörig dafür.«
    Wir gingen sogleich nach unten.
     
V.
     
    Die Tür zu der Lebjadkinschen Wohnung war nur zugemacht, aber nicht verschlossen, und wir traten ungehindert ein. Ihre ganze Behausung bestand aus zwei häßlichen kleinen Zimmern mit verräucherten Wänden, an denen die schmutzigen Tapeten buchstäblich in Fetzen hingen. Es war dort früher einige Jahre lang eine Speisewirtschaft gewesen, bevor der Hausbesitzer Filippow sie in sein neues Haus verlegt hatte. Die übrigen Zimmer, die zur Speisewirtschaft gedient hatten, waren jetzt zugeschlossen, und diese beiden waren dem Hauptmann Lebjadkin überlassen worden. Das Mobiliar bestand aus einfachen Bänken und Brettertischen, dazu noch aus einem sehr alten Lehnstuhl ohne Seitenlehnen. In dem zweiten Zimmer stand in einer Ecke ein mit einer baumwollenen Decke zugedecktes Bett, welches Mademoiselle Lebjadkina gehörte; der Hauptmann selbst warf sich, wenn er sich schlafen legte, jedesmal auf den Fußboden, nicht selten in den Kleidern. Überall waren Speisereste, Schmutz und Nässe zu sehen; ein großer, dicker, ganz nasser Lappen lag im ersten Zimmer mitten auf dem Fußboden, und ebendort lag in einer Lache ein alter ausgetretener Schuh. Es war klar, daß sich hier niemand um etwas kümmerte; die Öfen wurden nicht geheizt, Speisen nicht zubereitet; nicht einmal einen Samowar hatten sie, wie mir Schatow ausdrücklich erzählte. Der Hauptmann war mit seiner Schwester in größter Armut hier angekommen, wie Liputin gesagt hatte, und tatsächlich anfangs in einigen Häusern betteln gegangen; dann aber hatte er unerwartet Geld erhalten, sogleich angefangen zu trinken und war vom Branntwein so dumm und duselig geworden, daß er sich um den Haushalt gar nicht mehr kümmerte.
    Mademoiselle Lebjadkina, die ich so sehr zu sehen wünschte, saß still und ruhig im zweiten Zimmer in einer Ecke auf einer Bank an einem bretternen Küchentisch. Sie redete uns nicht an, als wir die Tür öffneten, und rührte sich nicht einmal vom Platze. Schatow sagte, die Türen würden bei ihnen nie zugeschlossen, und einmal habe die Flurtür die ganze Nacht über sperrangelweit aufgestanden. Bei dem matten Scheine eines dünnen Lichtes, das in einem eisernen Leuchter steckte, erblickte ich eine weibliche Person von vielleicht dreißig Jahren, von schrecklicher Magerkeit, bekleidet mit einem alten dunklen Kattunkleide; der lange Hals war unbedeckt, die dünnen, dunklen Haare im Nacken in einen kleinen Kauz zusammengefaßt, der nicht größer war als die Faust eines zweijährigen Kindes. Sie blickte uns ganz heiter an; außer dem Leuchter befanden sich vor ihr auf dem Tische ein kleiner Spiegel in einem Holzrahmen, ein altes Spiel Karten, ein abgegriffenes Liederbüchelchen und eine Semmel, von der schon ein- oder zweimal abgebissen war. Bemerkenswert war, daß Mademoiselle Lebjadkina sich weiß und rot schminkte und sich die Lippen mit etwas bestrich. Auch malte sie sich die Augenbrauen schwarz, die auch ohnedies lang, schmal und dunkel waren. Auf ihrer schmalen, hohen Stirn zeichneten sich trotz der weißen Schminke drei lange Runzeln ziemlich scharf ab. Ich wußte bereits, daß sie lahm war; aber diesmal stand sie während unserer Anwesenheit nicht auf und ging nicht. Früher einmal, in der ersten Jugend, mochte dieses abgemagerte Gesicht ganz schön gewesen sein; aber die stillen, freundlichen grauen Augen waren auch jetzt noch merkwürdig; aus ihrem stillen, offenen, beinah fröhlichen Blicke leuchtete eine sanfte Träumerei heraus. Diese stille, ruhige Fröhlichkeit, die auch in ihrem Lächeln zum Ausdruck kam, setzte mich nach allem, was ich von der Kosakenpeitsche und den Roheiten des Bruders gehört hatte, in Erstaunen. Sonderbar: statt des peinlichen und sogar ängstlichen Gefühles, das man gewöhnlich in Gegenwart all solcher von Gott gestraften Wesen empfindet, war es mir gleich vom ersten Augenblicke an beinah

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