Die Daemonenseherin
Wankend unter dem Zorn des Dämons, doch für den Augenblick hielt sie.
Als sie die Augen öffnete, lag sie zusammengesunken vor der Wand. Morgan beugte sich über sie und streckte die Hand nach ihr aus. Seine Finger schlossen sich um ihre Kehle und drückten zu.
Alessa griff nach seinen Armen und versuchte seine Hände von ihrem Hals zu schieben, doch der Kampf gegen den Dämon, den sie selbst jetzt noch focht, da die Mauern wieder standen, hatte sie alles gekostet. Ihre Finger rutschten ab, während der Polizist ihr immer weiter die Luft abdrückte. Sie versuchte seine Gelenke zu fassen zu bekommen und zerrte weiter daran. Ihre Lungen begannen zu brennen. Sie rang um Atem, doch kein Hauch von Luft floss durch ihre Kehle. Diesmal würde sie nichts mehr gegen die herannahende Finsternis ausrichten können.
Ein Donnern ließ sie zusammenfahren. Jäh ging ein Ruck durch den Körper des Polizisten. Er riss die Augen auf, seine Hände lösten sich von Alessas Hals. Dann brach er in die Knie und kippte nach vorne. In seinem Rücken breitete sich ein dunkler Fleck auf seinem Sakko aus.
Mit hämmerndem Herzen sah Alessa auf. Avery stand gegen die Wand gelehnt, die Pistole noch immer im Anschlag. Aus einer Platzwunde an seiner Schläfe lief Blut über sein Gesicht und tropfte auf das Parkett. Quer über seine Kehle verlief ein blutiger Schnitt wie ein grausames Lächeln. Er stieß sich von der Wand ab und kam wankend auf sie zu.
Alessa keuchte vor Schmerz. Heiße Tränen rannen ihr über die Wangen, doch ihre Erleichterung schwand rasch, als die Mauern in sich zusammenfielen, die den Dämon gefangen hielten.
Ein Brüllen erfüllte den Flur.
Dann war da nur noch der grauenvolle Schmerz von zerreißendem Fleisch, zerfetzten Muskeln und aufplatzender Haut.
*
Logan rannte die Treppen nach oben, den Wohnungsschlüssel schon in der Hand, als er einen Schuss hörte. Er ließ den Schlüssel fallen, zog noch im Laufen seine Pistole und warf sich mit der Schulter gegen die Tür. Der Türstock splitterte und gab nach. Logan stolperte in den Wohnungsflur und fuhr herum, die Waffe im Anschlag.
Vor ihm taumelte Avery über den Gang, eine Blutspur hinter sich herziehend. Logan versuchte einen Blick an ihm vorbei zu erhaschen und sah Morgan auf dem Boden liegen. Dann wurde Avery zurückgeworfen. Er fiel auf den Rücken und schlitterte ein Stück über das Parkett. Der Aufprall riss ihm die Pistole aus der Hand. Einen Herzschlag später war ein Schatten über ihm.
Logan stockte der Atem, als er die dunkle Silhouette als das erkannte, was sie war: ein dämonisches Biest mit ausgebreiteten ledrigen Schwingen, das seine Klauen in Averys Leib schlug und versuchte, ihm mit seinen scharfen Fangzähnen die Kehle herauszureißen.
In dem Augenblick, in dem er die Kreatur sah, war ihm klar, woher sie kam und dass die Bestie ihm alles genommen hatte. Aus Furcht, die Kontrolle zu verlieren und nicht länger handlungsfähig zu sein, wagte er nicht, Alessa anzusehen. Er wusste, wo sie lag, sah die Umrisse ihres Körpers hinter Morgan, doch er gestattete sich keinen genaueren Blick. Für sie mochte jede Hilfe zu spät kommen, doch Avery konnte er noch helfen, dafür musste er sich nur zusammenreißen. Er schob jedes Gefühl, jeden Gedanken, der nichts mit der augenblicklichen Bedrohung zu tun hatte, in einen Winkel seines Verstandes, bis der Mensch Logan Drake vollkommen verschwunden und nur noch der Soldat geblieben war. Eine Maschine, darauf trainiert, in jeder Situation zu funktionieren.
Er legte die SIG an und zielte auf den Dämon, doch Avery rang so heftig mit dem Monstrum, dass er kein freies Schussfeld bekam. Ohne die beiden auch nur für einen Wimpernschlag aus den Augen zu lassen, umrundete er sie auf der Suche nach einem sicheren Winkel, in dem er nicht Gefahr lief, Avery abzuknallen.
»Scheiße«, fluchte er, als ihm klar wurde, dass er das Vieh so nicht erwischen würde. Er steckte die Pistole vorne in den Hosenbund und sprang vor. Seine Finger krallten sich in die Schwingen des Dämons, die sich kühl unter seinen Händen anfühlten. Lediglich dort, wo dunkle Adern Blut hindurchpumpten, war Wärme zu spüren. Mit einem heftigen Ruck riss er das Vieh von Avery fort.
Er hatte so viel Schwung, dass sie sich mehrfach überschlugen und Logan schließlich auf dem Bauch des Viehs zum Sitzen kam. Der Dämon riss den Kopf nach oben und schnappte nach ihm. Logan gelang es, dem Angriff zu entgehen, doch dafür musste er eine der Pranken
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