Die Daemonenseherin
hatte das Gerät kaum aus der Tasche gezogen, als sein Blick auf Alessa fiel. Sie lag mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden und regte sich nicht. Ihr Pyjama hing in blutigen Fetzen von ihrem Rücken, dort, wo der Dämon aus ihrem Körper entkommen war. Boden und Wand waren voller Blut. Ihrem Blut. Logan wollte zu ihr, doch er schaffte es nicht, seinen Beinen den Befehl zu geben, einen Schritt auf sie zuzumachen. Alles, was er tun konnte, war, sie anzustarren.
Innerhalb weniger Tage war es Alessa gelungen, sein Leben auf den Kopf zu stellen. Er hatte begonnen, Dinge zu hinterfragen und seine Einstellung in gewissen Bereichen zu ändern, doch was war das alles jetzt noch wert – ohne sie?
Eine kalte Leere breitete sich in ihm aus, schlimmer als alles, was er je in seinem Leben gespürt hatte. Kraftlos fiel er auf die Knie, nicht in der Lage, sich auch nur einen Zoll zu bewegen. Sein rechter Arm baumelte leblos an seiner Seite, doch Logan spürte den Schmerz nicht mehr. Alles in ihm war wie betäubt.
Hinter ihm hatte sich Avery wieder aufgerappelt. Schleppende Schritte waren zu hören, dann spürte Logan eine Hand auf seiner Schulter. Ein Trost, den er nicht verdient hatte.
»Es ist meine Schuld.« Logan biss sich auf die Lippe, bis er Blut schmeckte. »Ich hätte es viel früher erkennen müssen. Ich hätte wissen müssen, dass es Morgan ist.«
»Wie hättest du das erkennen sollen?« Averys Stimme war kaum mehr als ein heiseres Flüstern. Ein Geräusch, bei dem Logan sich schlagartig wieder an die Wunden des Mannes erinnerte.
Er sah auf. Der Schnitt an seinem Hals war nicht tief und hatte mittlerweile zu bluten aufgehört, was nichts daran änderte, dass sich jemand um seine Verletzungen kümmern musste. »Du gehörst ins Krankenhaus.«
»Der Bulle hat so viele Jahre mit uns zusammengearbeitet«, fuhr Avery fort, ohne auf Logans Worte einzugehen. »Er hat uns unterstützt und sein Wissen mit uns geteilt, wie wir unseres mit ihm. Du konntest das nicht ahnen. Keiner von uns konnte das.«
Logan war anderer Ansicht. Sein Team mochte mit Morgan zusammengearbeitet haben, doch sie waren nicht an seiner Seite gewesen, als er um seine Frau und sein Kind getrauert hatte, waren nicht da gewesen, als er geschworen hatte dafür zu sorgen, dass so etwas niemals wieder geschehen würde. Keiner der Männer hatte seine Augen gesehen, wenn er über das Massaker am Leith Walk sprach. Logan hatte gewusst, dass Morgan es als seine Berufung ansah, die Welt vor den Dämonensehern zu beschützen, doch er hatte nicht geahnt, wie weit er dabei gehen würde.
Ich hätte es erkennen müssen.
Er wählte die Nummer des Notrufs und gab die nötigen Angaben durch. Sobald er die Verbindung beendet hatte, stemmte er sich auf die Beine und zwang sich zu Alessa zu gehen. Neben ihr ging er in die Knie, nicht in der Lage, ihren Rücken anzusehen. Er streckte den unversehrten Arm nach ihr aus und strich ihr das Haar aus dem Gesicht. Wie bleich sie war. Sanft fuhr er mit seinem Daumen über ihre Wange, die Haut war noch warm, doch das würde sich bald ändern.
»Ich wollte dich beschützen«, flüsterte er. »Es tut mir so leid.« Er beugte sich vor und küsste sie auf die Lippen. Seine Stirn an ihre gelehnt verharrte er für einen langen Moment, bis ihn etwas an der Wange kitzelte. Logan fuhr auf. »Mein Gott, sie atmet!«
Epilog
In dem Augenblick, in dem er ihren Atem auf seiner Haut spürte, war die Lähmung von Logan abgefallen. Bis zum Eintreffen des Notarztes hatte er versucht die Blutung zu stillen und darum gekämpft, Alessas Bewusstsein zu erreichen. Er hatte auf sie eingeredet und sie immer wieder angefleht durchzuhalten, bis Avery ihn zur Seite schob, damit der eingetroffene Notarzt Alessa auf die Trage heben konnte. Logan hatte zu ihr in den Wagen steigen und mit ihr ins Krankenhaus fahren wollen, doch die Sanitäter sagten ihm, dass sie Platz bräuchten, um sich um ihre Wunden zu kümmern. Mit einem kurzen Blick auf Logan und Avery hatte der Mann einen weiteren Krankenwagen gerufen, der die beiden abholen und ins Krankenhaus bringen sollte.
Sobald sie dort angekommen waren, wollte Logan zu Alessa, doch eine junge Ärztin schüttelte den Kopf. »Sie wird gerade operiert. Abgesehen davon«, meinte sie mit Blick auf seinen Arm, »sehen Sie aus, als bräuchten Sie etwas mehr als nur ein Pflaster.«
Während Avery in einer anderen Kabine verarztet wurde, brachten sie Logan in einen Behandlungsraum, nähten seinen Arm wieder
Weitere Kostenlose Bücher