Die Dame vom See - Sapkowski, A: Dame vom See
geschlagen, ein nichtswürdiger Bedrücker der Damen, bis ich ihn im ehrlichen Zweikampf bezwang. Wahrlich, ich bin würdig, aus deinen Händen dieses Schwert zu empfangen, o Dame vom See …«
»Wie bitte?«
»Das Schwert. Ich bin bereit, es zu empfangen.«
»Das ist mein Schwert. Ich erlaube niemandem, es anzurühren.«
»Aber …«
»Aber was?«
»Weil doch die Dame vom See immer … Weil sie immer aus dem Wasser auftaucht und ein Schwert schenkt.«
Sie schwieg eine Weile.
»Ich verstehe«, sagte sie schließlich. »Nun ja, andere Länder, andere Sitten. Es tut mir leid, Galahad oder wie du heißt, aber offensichtlich hast du die falsche Dame getroffen. Ich gebe nichts weg. Und lasse mir nichts wegnehmen. Damit das klar ist.«
»Aber«, wagte er einzuwerfen, »Ihr kommt doch aus Faërie, edle Dame, oder etwa nicht?«
»Ich komme«, sagte sie nach kurzem Schweigen, und ihre grünen Augen schienen durch einen Abgrund von Raum und Zeit zu blicken, »ich komme aus Rivien, aus einer Stadt namens Riva. Am See Loc Eskalott. Ich bin in einem Boot gekommen. Es war Nebel. Ich habe kein Ufer gesehen. Ich habe nur Kelpie wiehern hören. Meine Stute, die mir nachgelaufen ist.«
Sie breitete das nasse Hemd auf dem Stein aus. Und wieder seufzte der Ritter. Das Hemd war gewaschen, aber nicht vollends. Man sah noch immer Blutflecken.
»Die Strömung eines Flusses hat mich hergebracht«, fuhr das Mädchen fort. Entweder hatte sie nicht gesehen, dass er das Blut bemerkt hatte, oder sie gab sich den Anschein. »Die Strömung des Flusses und der Zauber des Einhorns … Wie heißt dieser See?«
»Ich weiß nicht«, gab er zu. »Es gibt so viele Seen in Gwynedd …«
»In Gwynedd?«
»Gewiss doch. Diese Berge dort sind Y Wyddfa. Wenn man sie zur Linken hat und durch die Wälder reitet, kommt man nach zwei Tagen nach Dinas Dinlleu, und dann weiter nach Caer Dathal. Und der Fluss … Der nächste Fluss ist hier …«
»Egal, wie der nächste Fluss heißt. Hast du etwas zu essen, Galahad? Ich sterbe vor Hunger.«
»Was starrst du mich so an? Fürchtest du, dass ich verschwinde? Dass ich durch die Lüfte davonfliege mitsamt deinem Zwieback und der Wacholderwurst? Keine Angst. In meiner eigenen Welt habe ich etwas angestellt und die Vorherbestimmung durcheinandergebracht, also sollte ich mich momentan dort nicht blicken lassen. Ich werde eine Zeitlang in deiner Welt bleiben. In einer Welt, in der man nachts vergebens den Drachen oder die Sieben Ziegen am Himmel sucht. In der gerade der zweite Vollmond nach Belleteyn ist und Belleteyn ›Beltane‹ ausgesprochen wird. Was starrst du mich so an, frag ich?«
»Ich wusste nicht, dass Feen essen.«
»Feen, Zauberinnen oder Elfen. Alle essen sie. Trinken. Und so weiter.«
»Wie bitte?«
»Unwichtig.«
Je aufmerksamer er sie betrachtete, umso mehr verlor sich die magische Aura, umso menschlicher und gewöhnlicher wurde sie, geradezu alltäglich. Er wusste jedoch, dass sie nicht so war, es nicht sein konnte. Man trifft keine gewöhnlichen Mädchenam Fuße von Y Wyddfa, in der Gegend von Cwm Pwcca, die nackt in Bergseen baden und blutbefleckte Hemden waschen. Wie dieses Mädchen auch aussehen mochte, ein irdisches Geschöpf konnte sie nicht sein. Außerdem betrachtete Galahad nun schon ganz ungezwungen und ohne fromme Scheu ihre mausgrauen Haare, in denen jetzt, da sie getrocknet waren, zu seiner Verwunderung silberweiße Strähnen glänzten. Ihre feingliedrigen Hände, das kleine Näschen und die bleichen Lippen, ihre Männerkleidung von etwas sonderbarem Zuschnitt, aus feinem Stoff, aus unglaublich dicht gewebtem Stoff. Ihr Schwert, das seltsam geformt und geschmückt war, aber keineswegs den Eindruck machte, es diene nur zur Zierde. Ihre bloßen Füße, an denen getrockneter Ufersand klebte.
»Damit das klar ist«, ließ sie sich vernehmen, während sie Fuß an Fuß rieb, »ich bin keine Elfe. Als Zauberin aber, das heißt als Fee, bin ich ein bisschen … ungewöhnlich. Ach, wahrscheinlich bin ich überhaupt keine.«
»Schade, wirklich.«
»Was soll da schade sein?«
»Es heißt …« Er wurde rot und geriet ins Stottern. »Es heißt, dass Feen, wenn sie mitunter jungen Männern begegnen, sie ins Elfland führen und dort … Unter den Haselsträuchern, auf einem Teppich aus Moos lassen sie sich Gunst erweisen …«
»Verstehe.« Sie warf ihm einen raschen Blick zu, worauf sie kräftig in die Wurst biss.
»Was das Elfland angeht«,
Weitere Kostenlose Bücher