Die Darwin-Kinder
Haus trat. In einer Hand trug sie einen kleinen, quadratischen Gegenstand.
»Zweifellos unser Mädchen«, erklärte Browning. »Groß für ihr Alter, nicht wahr?«
Stella ging wild entschlossen auf das Tor im Maschendrahtzaun zu. Kleiner Vogel ließ sich herunter und vergrößerte den Ausschnitt um fünfundsiebzig Prozent. Die Auflösung war bemerkenswert. Das Mädchen blieb am Tor stehen, schwang es halb auf und warf mit gerunzelter Stirn einen Blick über die Schulter, während auf den Wangen kurz Flecken aufleuchteten. Dunkle Flecken, stellte Augustine fest.
Sie ist nervös.
»Was hat sie vor?«, fragte Browning. »Sieht so aus, als wollte sie einen Spaziergang machen. Aber nicht zur Schule, denke ich.«
Augustine verfolgte, wie das Mädchen auf dem unbefestigten Weg neben der alten Asphaltstraße entlangschlenderte, als wolle sie einen Morgenspaziergang ins Grüne machen.
»Die Situation kann sich recht schnell verändern«, sagte Browning, »und wir haben niemanden vor Ort. Ich will diese Gelegenheit nicht ungenutzt verstreichen lassen, deshalb habe ich einen privaten Ermittler alarmiert.«
»Sie meinen einen Kopfgeldjäger. Das ist unklug.«
Browning tat so, als hätte sie nichts gehört.
»Ich will das nicht, Rachel«, erklärte Augustine. »Für eine derartige Publicity ist der Zeitpunkt falsch gewählt. Und das gilt erst recht für ein solches taktisches Vorgehen.«
»Die Entscheidung liegt aber nicht bei Ihnen, Mark«, gab Browning zurück. »Man hat mir aufgetragen, das Mädchen und seine Eltern dingfest zu machen.«
»Wer hat das angeordnet?« Augustine wusste, dass seine Autorität in letzter Zeit stark gelitten hatte, seine Entscheidungsbefugnis seit Riverside womöglich drastisch eingeschränkt worden war, aber nie war ihm in den Sinn gekommen, dass Riverside ein noch härteres Durchgreifen auslösen würde.
»Es ist eine Art Test«, sagte Browning.
Der für Gesundheit und Soziales zuständige Minister hatte gemeinsam mit dem amerikanischen Präsidenten das Oberkommando über EMAC. Innerhalb dieses Krisenstabs gab es Kräfte, die das ändern und dem Ministerium jede Entscheidungsbefugnis nehmen wollten, um die eigene Position zu stärken. Augustine hatte selbst vor einigen Jahren und in einer anderen beruflichen Position schon Ähnliches versucht.
Browning löste den Piloten im Lastwagen ab, übernahm selbst die Fernsteuerung des Kleinen Vogels und schickte ihn Stella Nova Rafelson hinterher, auf die Straße, wo er vorsichtig Abstand hielt und leise summte. »Finden Sie nicht auch, dass Kaye Lang bei ihrer Heirat besser ihren Mädchennamen behalten hätte?«
»Sie haben nie geheiratet«, sagte Augustine.
»So, so. Dann ist Stella also ein kleiner Bastard.«
»Sie können mich mal, Rachel«, knurrte Augustine.
Browning blickte auf, ihr Gesicht versteinerte. »Und Sie mich, Mark, weil Sie mich Ihren Job machen lassen.«
4
Maryland
Mrs. Rhine stand in ihrem Wohnzimmer und spähte so angestrengt durch die dicke Acrylscheibe, als suche sie nach den Spuren eines anderen Lebens. Sie war Ende dreißig und mittelgroß. Im Gegensatz zu ihren stämmigen Armen und Beinen war ihr sonstiger Körper schlank. Das spitze Kinn war stark ausgeprägt.
Sie trug ein hellgelbes Kleid, über das sie eine weiße Bluse und eine selbst genähte Patchwork-Weste gestreift hatte. Was von ihrem Gesicht zwischen den Mullverbänden zu erkennen war, wirkte rot und aufgedunsen. Ihr linkes Auge war zugeschwollen. Ihre Arme und Beine waren vollständig in antiseptische Verbände gehüllt. Mrs. Rhines Körper bemühte sich, Millionen und Abermillionen neuer Viren zu vernichten, die listig behaupteten, Teil ihres Selbst zu sein, aus ihrem eigenen Genom zu stammen. Aber die Viren machten sie selbst keineswegs krank. In erster Linie war die Reaktion ihres eigenen Immunsystems für ihre Qualen verantwortlich.
Irgendjemand, Dicken fiel nicht mehr ein, wer es gewesen war, hatte diese Krankheit, gegen die man selbst immun blieb, damit verglichen, dass der eigene Körper von republikanischen Kongressabgeordneten ferngesteuert wurde. Ein paar Jahre in Washington hatten auf unheimliche Weise bestätigt, wie passend dieser Vergleich war.
»Christopher?«, rief Mrs. Rhine mit heiserer Stimme.
Mit einem Klicken schaltete sich die Beleuchtung der inneren Station ein.
»Ja, ich bin’s«, erwiderte Dicken. Wegen des Schutzhelms kam es wie ein Zischen heraus.
Mrs. Rhine trat kokett zur Seite und knickste, wobei ihr Kleid
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