Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Darwin-Kinder

Die Darwin-Kinder

Titel: Die Darwin-Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
Vom Netzwerk:
angewidert auf die angebotene Hand. »Die würd ich für zehn Millionen Dollar nicht anfassen. Warum bist du nicht in irgendeinem Lager?«

    »Dave!«, fuhr ihn sein Kumpel an.
    Stella spürte, wie der Fieberduft sich verstärkte, ihre Ohren prickelten. Innerhalb des kleinen Supermarkts war es kühl, draußen heiß. Heiß und schwül. Sie war eine halbe Stunde in der Sonne herumgelaufen, ehe sie den Texaco-Laden gefunden hatte und durch die gläsernen Schwingtüren eingetreten war, um sich etwas zum Trinken zu besorgen. Da sie kein deckendes Makeup aufgelegt hatte, konnten die anderen alles, was die Tupfen auf ihren Wangen anstellten, gut erkennen.
    Und wenn schon: Sie würde ihren Platz am Tresen behaupten.
    Sie hatte nicht die Absicht, Dave nachzugeben. Die halbherzige Verteidigung der Verkäuferin tat ihr weh.
    Dave griff nach den Lucky Strike. Stella mochte den Geruch von Tabak, wenn er nicht angezündet war, konnte den Gestank brennender Zigaretten aber nicht ertragen. Ihr war klar, dass vor allem Männer, die von Sorgen geplagt wurden, die unglücklich und nervös waren oder unter Stress standen, rauchten. Die Fingerknöchel der beiden Männer wirkten grobschlächtig, ihre Hände mitgenommen von Sonne, Arbeit und Tabak – wie die von Mumien. Stella konnte schon durch ein Schnüffeln und einen Blick vieles über Menschen in Erfahrung bringen. Unser kleines Radargerät nannte Kaye sie manchmal.
    »Es ist angenehm hier drinnen«, sagte Stella leise, während sie ein kleines Buch wie zum Schutz an sich drückte. »Schön kühl.«
    »Du bist schon eine Marke, weißt du das?«, sagte Dave mit einem Anflug von Bewunderung. »Ein hässlicher kleiner Scheißhaufen, aber tapfer wie ein Stinktier.«
    Daves Freund war an den Glastüren stehen geblieben. Der Schweiß auf seiner Hand hatte chemisch mit dem Metall des Türgriffs reagiert, sodass es so roch, als habe man einen Löffel aus Edelstahl in Vanilleeis getaucht. Stella konnte Eis mit keinem Löffel aus Edelstahl essen, weil ihr von dem Geruch übel wurde.
    »Verdammt noch mal, Dave, lass uns gehen! Die kommen sie abholen. Und vielleicht nehmen sie uns auch gleich mit, falls wir ihr zu nahe kommen!«
    »Meine Leute sind eigentlich gar nicht infekschös«, sagte Stella und trat auf den Mann am Tresen zu, der sich fast den langen Hals verrenkte und den Kopf vorstreckte. »Aber man kann ja nie wissen, Dave.«
    Die Verkäuferin sog lautstark die Luft ein.
    Das hatte Stella eigentlich gar nicht sagen wollen. Sie hatte gar nicht gewusst, wie zornig sie war. Sie zog sich ein paar Zentimeter zurück, wollte sich entschuldigen, eine Erklärung abgeben, zwei Dinge auf einmal sagen, indem sie beide Seiten der Zunge benutzte, damit sie hören und spüren konnten, was sie meinte – aber sie würden es nicht verstehen; die auf diese Weise verdoppelten Worte würden in ihren Köpfen ein Chaos anrichten und sie nur noch mehr in Wut bringen.
    Was schließlich als beruhigendes Gemurmel in Alt-Stimmlage aus Stellas Mund drang, während sie Dave fixierte, war: »Mach dir keine Sorgen, es passiert nichts. Falls du mich verprügeln willst, wird mein Blut dir nichts anhaben. Ich könnte für dich ganz persönlich den kleinen Jesus spielen.«
    Der Fieberduft tat sein Übriges. Die Drüsen hinter ihren Ohren begannen, Pheromone zur Abwehr auszuschütten. Ihr Hals fühlte sich heiß an.
    »Scheiße«, sagte die Verkäuferin und stieß sich heftig an dem hohen Zigarettenregal in ihrem Rücken.
    Bei Dave war wie bei einem scheuenden Pferd nur noch das Weiße in den Augen zu sehen. Er machte sich auf den Weg zur Tür, wobei er einen weiten Bogen um Stella schlug, da ihm der Geruch, den sie jetzt mit voller Absicht verströmte, in die Nase stach. Sie hatte die Zündflamme seines Zorns erstickt.

    Dave gesellte sich zu seinem Freund. »Sie riecht wie gottverdammte Schokolade«, sagte er. Beide traten die Glastüren mit den Stiefeln auf.
    Eine alte Frau im hinteren Teil des Ladens, die zwischen Regalen mit aufgeblähten Kartoffelchips-Tüten stand, starrte Stella entgeistert an und schüttelte eine Dose mit Salzbrezeln, als klappere sie mit einer Kastagnette. »Hau ab!«
    Die Verkäuferin mischte sich ein, um der alten Frau Rückendeckung zu geben. »Nimm deine Flasche und geh nach Hause!«, fuhr sie Stella an. »Geh heim zu deiner Mama und komm bloß nie wieder!«

    6
    Longworth House Office Building,
    Washington, D.C.

    »Wir sind das wieder und wieder durchgegangen.« Dick Gianelli legte einen

Weitere Kostenlose Bücher