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Die Darwin-Kinder

Die Darwin-Kinder

Titel: Die Darwin-Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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kamen sie am Fahrstuhl an. Als die Tür sich öffnete, begrüßte sie ein Marinesoldat mit harten, grauen Augen, der ein Pistolenhalfter mit einer Neun-Millimeter-Waffe trug. Zwei Minuten später standen sie in einem kleinen Büro.
    Wie japanische Wandschirme ragten jenseits des Schreibtisches, der die Zimmermitte einnahm, vier leuchtende, auf Metallständer gestützte Sichttafeln auf. Die nackten Wände waren beige gestrichen und mit dichten, schalldämpfenden Schaumverkleidungen isoliert.
    Augustine hasste derart abgedichtete Räume, wie er inzwischen alles hasste, das er in den letzten elf Jahren um sich herum aufgebaut hatte. Sein ganzes Leben glich einem abgedichteten Raum.
    Browning nahm auf dem einzigen Stuhl Platz und legte die Hände auf Computertastatur und Maus. Während ihre Finger über die Tasten huschten, umklammerte sie mit der anderen Hand die Maus und beobachtete mit zusammengebissenen Zähnen, was sich auf dem Bildschirm tat. »Sie leben etwa hundertsechzig Kilometer südlich von hier«, murmelte sie, auf den Bildschirm konzentriert.
    »Ich weiß«, erwiderte Augustine. »In Spotsylvania County.«
    Verblüfft sah sie auf und legte den Kopf schräg. »Wie lange wissen Sie es schon?«
    »Anderthalb Jahre.«
    »Warum haben Sie die nicht einfach abholen lassen? Liegt’s am weichen Herz oder an einer Hirnerweichung?«
    Augustine tat die Bemerkung mit einem Zwinkern ab, das weder seinen Standpunkt noch Emotionen erkennen ließ. Er spürte, wie sein Gesicht sich anspannte. Bald würden seine Wangen teuflisch schmerzen, eine Nachwirkung der Bombenexplosion im Keller des Weißen Hauses, die den Präsidenten das Leben gekostet hatte. Augustine war nur knapp am Tod vorbeigeschrammt, Christopher Dicken hatte dabei ein Auge verloren. »Ich kann nichts erkennen.«
    »Das Netz baut sich immer noch auf«, erklärte Browning.
    »Es dauert ein paar Minuten. Kleiner Vogel spricht gerade mit Tiefem Blick.«
    »Reizendes Spielzeug«, bemerkte er.
    »Es war Ihre Idee.«
    »Ich bin gerade erst aus Riverside zurück, Rachel.«
    »Oh, wie war’s denn?«
    »Schrecklicher, als man sich vorstellen kann.«
    »Da haben Sie sicher Recht.« Browning holte ein Kleenex-Tuch aus ihrer kleinen schwarzen Handtasche und schnaubte geziert hinein, erst mit dem rechten, dann mit dem linken Nasenloch. »Sie hören sich wie jemand an, der die Leitung gern abgeben würde.«
    »Sie werden’s als Erste erfahren, wenn es so weit ist, da bin ich mir sicher«, gab Augustine zurück.
    Rachel deutete auf den Bildschirm und schnappte mit den Fingern. Gleich darauf baute sich auf dem Schirm ein Bild auf, als habe sie es herbei gezaubert. Tiefer Blick, sagte sie. Was sie vor sich sahen, war ein kleiner Ausschnitt des ländlichen Virginia mit vielen dicken grünen Bäumen, den eine gewundene zweispurige Straße durchschnitt. »Tiefer Blick«
    richtete seine Linsen in Nahaufnahme auf ein Hausdach, eine Auffahrt, in der lediglich ein kleiner Lastwagen stand, und einen großen Garten hinter dem Haus, den hohe Eichen säumten.
    »Und… hier ist Kleiner Vogel.« Brownings Stimme wurde so heiser vor Triumph, dass sie fast schon erotisch klang.
    Das Bild zeigte jetzt eine ferngesteuerte Drohne, die wie eine Libelle am Haus hoch schwebte, neben einem kleinen Sprossenfenster innehielt, Blende und Belichtung auf den hellen Morgen einstellte und schließlich Kopf und Schultern eines jungen Mädchens enthüllte, das sich das Gesicht mit einem Waschlappen abrieb.
    »Erkennen Sie das Mädchen?«, fragte Browning.
    »Unser letztes Bild von ihr ist vier Jahre alt«, erwiderte Augustine.
    »Das kann nur daran liegen, dass Sie sich um kein neues Bild bemüht haben. Was nicht zu entschuldigen ist.«
    »Da haben Sie Recht«, räumte Augustine ein.
    Das Mädchen verließ das Badezimmer und verschwand aus dem Blickfeld. Gleich darauf stieg Kleiner Vogel bis zu einer Höhe von rund fünfzehn Metern empor, um dort die Anweisungen des unsichtbaren Piloten abzuwarten.

    Wahrscheinlich saß er ein paar Kilometer weiter im hinteren Teil eines Lieferwagens, der über eine Fernsteuerung verfügte.
    »Ich glaube, das ist Stella Nova Rafelson«, sinnierte Browning und tippte sich mit einem langen roten Fingernagel auf die Unterlippe.
    »Gratuliere, Sie sind ein wahrer Voyeur«, sagte Augustine.
    »Ich ziehe den Ausdruck Paparazzo vor.«
    Die Ansicht auf dem Bildschirm schwenkte zu einer schlanken weiblichen Gestalt herum, die von der vorderen Veranda auf den Schotterweg vor dem

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