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Die Delegation

Die Delegation

Titel: Die Delegation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Erler
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hier bei uns auftauchen würden.
    Aber wieso eigentlich? Nur weil unsere Schulphysik, weil Ernst von Khuon und Professor Haber im Fernsehen diese Möglichkeit nicht zulassen wollen? Oder weil ein Schweizer Hotelier namens Erik von Däniken gerade ein Buch geschrieben hatte, in dem er die Begegnung mit extraterrestrischer Intelligenz in historische und prähistorische Zeit verlegte? Ein Buch, das skeptische Rezensionen und bissige Kommentare geerntet hat. Aber seine Thesen, von den Intellektuellen ein wenig hilflos belächelt, spuken seither in Millionen Hirnen herum. Der Autor wurde zwar nicht verbrannt wie Giordano Bruno, aber man steckte ihn wegen kleiner finanzieller Unregelmäßigkeiten in ein Schweizer Gefängnis. Und die Lehre von den extraterrestrischen Zivilisationen im All und der irdisch-menschlichen Bedeutungslosigkeit hatte einen neuen Märtyrer erhalten.
    Möglich, daß Roczinski Dänikens Buch kannte. Ich glaube es allerdings nicht; er hätte zumindest den Namen einmal erwähnt. Aber seine Thesen waren ihm sicher bekannt. Denn diese Thesen sind alt, so alt wie die Vermutung, daß wir im Kosmos viele Nachbarn haben.
    Däniken sucht die Extraterristen in der Vergangenheit, Roczinski in der Gegenwart.
    Was erwartete er eigentlich von diesen fremden Wesen, von dieser hypothetischen Delegation, hinter der er her jagte, kreuz und quer über den amerikanischen Kontinent? Wollte er sie lediglich vor Kamera und Mikrofon zerren und damit die Existenz außerirdischer Intelligenz beweisen? Reizte ihn nur die große Meldung, die journalistische Sensation? War es das Jagdfieber des Reporters – oder private Neugierde?
    Der Ehrgeiz, der erste Mensch zu sein, der einem Außerirdischen die Hand geschüttelt hat – wobei es die Frage ist, ob er der erste gewesen wäre …
    »Weder noch! Vermutlich hielt er sich für auserwählt, für begnadet, eine Botschaft in Empfang zu nehmen, die Botschaft der Wissenden, der ›Götter‹, um mit Charroux und Däniken zu sprechen, die Botschaft aus den Tiefen des Kosmos!« Schön gesagt, Herr Bobermin! Also im Grunde doch ein religiöses Thema. Heilserwartung! Roczinski als Prophet eines neuen Zeitalters. Aus dem Skeptiker, aus dem Saulus war ein Paulus geworden. Irgendwann auf dieser Reise muß das geschehen sein, muß eine Vision ihn geblendet, muß eine Art Schlüsselerlebnis ihn aufgerüttelt, bekehrt, umgedreht haben! Aber welches Erlebnis mochte das gewesen sein? »Wir kommen so nicht weiter.« Gottschalk wurde ungeduldig, mit Recht. »Alles Mutmaßungen, alles wird zerredet, fahren Sie los!« Galt das mir?
    »Ja, fahren Sie los. Überprüfen Sie das Material, die Zeugen. Fahren Sie nach Kanada, nach Sudbury, oder wie das heißt, nach Washington, nach Peru. Vollziehen Sie die Reise Roczinskis nach. Wenn Sie aus diesem Material einen Film machen wollen, dann brauchen wir irgendeine Art von Gewißheit – und wenn es die Erkenntnis ist, daß dieser Roczinski geblufft hat. Fahren Sie los!« Gottschalk entschied autoritär.

 
26
 
    Leicht gesagt: »Fahren Sie los!« Vielleicht war’s auch so aktuell gar nicht gemeint. Vor uns lag ein großes Projekt ganz anderer Art: ›Der Attentäter‹ Die Geschichte des schwäbischen Schreinergesellen Georg Elser, der am 8. November 1939 im Alleingang versucht hat, Hitler in die Luft zu sprengen. Fast wäre es ihm gelungen. Er scheiterte an elf Minuten. Hitler war weg, als die Bombe hochging, und mit ihm die ganze Parteiprominenz. Der Zweite Weltkrieg nahm seinen Lauf. Was wäre geschehen, wenn … Gottschalk hatte selbst das Buch geschrieben. Das Institut für Zeitgeschichte stand uns beratend zur Seite. Das Protokoll der Gestapo, Elsers Geständnis, lag wörtlich vor. Die Sache hatte Hand und Fuß und räumte auf mit einem historischen Vorurteil.
    Der Münchner Bürgerbräukeller, zerstört durch Elsers Bombe, wiederaufgebaut, zerstört durch die Bomben der Alliierten, wiederaufgebaut, umgebaut, renoviert, mo dernisiert, kam als Drehplatz nicht mehr in Frage, entstand also in alter Form neu in einem der Studios.
    Der Schauspieler Hollenbeck aus Ulm spielte den Attentäter, Robert Nägele lieh ihm seine schwäbische Stimme. Wir drehten den ganzen April, den ganzen Mai, in und um München, in Königsbronn an der Brenz, Elsers Geburtsort, wo sein Bruder Leonhardt lebt, der den Schauspieler fassungslos anstarrte, so ähnlich war der seinem Bruder. Wir drehten auch in Konstanz, wo Elser kurz nach der Tat an der Schweizer Grenze verhaftet

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