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Die Delegation

Die Delegation

Titel: Die Delegation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Erler
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mit Antibiotika behandelt, einfärbt, desinfiziert …«
    Zu einer detaillierten Schilderung kam ich nicht mehr. Der Kellner kehrte zurück, mit dem Salat, und stellte eine Karaffe mit Eiswasser auf den Tisch. Er goß auch schon ein. Es war gutes Wasser, absolut keimfrei, über den Gläsern schwebte eine Wolke von Chlor. Juliette rümpfte die Nase. Diesmal beschloß ich, nicht nachzugeben.
    Das Eiswasser, deutete ich dem Kellner an, könne er wieder mitnehmen, samt den Gläsern, wir hätten es nicht bestellt. Sein Blick ruhte auf mir drei Sekunden zu lang. Das hätte mich warnen sollen. Er ging.
    Der Geschäftsführer kam. Es klang alles sehr beiläufig: Dies hier sei ein gutes Restaurant von internationalem Ruf, der Service sei erstklassig. Wenn wir nicht zufrieden wären, die Direktion wäre zwar betrübt, aber sie würde uns nicht daran hindern, es sofort zu verlassen!
    Ja, ja, ich weiß. Wenn dir dieses phantastische, fabelhafte Amerika, das beste aller möglichen Amerikas, nicht gefällt – you can leave! – du kannst gehen! Das ist wirkliche, echte Freiheit!
    Ich wollte nicht gehen, es gefiel uns hier, wir brannten darauf, festzustellen, ob die Sirloin-Steaks mit Baked-Potatoes hier anders schmeckten als überall anderswo in den Staaten. »Ich weiß, das Eiswasser gehört zum Service, es ist nicht wegzudenken von einem anständigen Gedeck … Aber wissen Sie, wir kommen aus Bayern, aus München, wir trinken kein Wasser, nie!«
    Die Sonne ging auf! Bayern! München! Also echte Exoten in seinem Lokal! Das war etwas anderes. Eigenhändig räumte der Geschäftsführer Gläser und Karaffe auf den Nebentisch. Hofbräuhaus! Oktoberfest! Olympiade! Sein Schwager war drei Jahre lang in Schleißheim stationiert gewesen. Und hier auf der Straße, direkt vor dem Lokal, hatten ›solche Mädchen‹ den Franz Josef Strauß ausgeraubt. »Was wollen Sie trinken? Wir haben auch Loewenbraeu!« Ein gastfreies Land! Dem Fremden wird ein gewisses Maß an Narrenfreiheit durchaus zugestanden – sofern er nicht hierzubleiben gedenkt. Er wird vom Zwang zur Anpassung dispensiert.
    Ich war richtig glücklich über diese Erkenntnis – und aus Dankbarkeit aß ich sogar meinen Salat.

 
37
 
    Wir gingen zu Fuß.
    Ich fand, das sei für Julie das beste. Sie hatte ihre Trinkfestigkeit zwar schon mehrfach bewiesen, aber ›Bavarian-Bock-Beer‹, das war wohl eine Premiere.
    Wir tranken aus ›steins‹, aus Miniaturausgaben bayerischer Maßkrüge. Da sie regelmäßig nachgefüllt wurden, waren sie groß genug.
    Dann standen wir auf der Straße. Zurück zum Hotel, das waren höchstens zehn oder zwanzig oder dreißig Minuten – alles keine Affäre, ein Abendspaziergang, weiter nichts. Wir waren völlig veralbert, zogen los, blödelten und fanden uns gegenseitig sehr lustig.
    Ein Zufall, daß wir es überhaupt bemerkten: Wir wurden verfolgt. Ein schwarzer Wagen schlich hinter uns her, hielt Abstand, stoppte, wenn wir stehenblieben, fuhr wieder an, wenn wir weiterschlenderten, folgte uns über Straßen, Plätze und Kreuzungen.
    Als wir mit dem Taxi zum Essen gefahren waren, hatten sich die Autoschlangen im Schritt-Tempo durch die verstopften Straßen geschoben. Jetzt lag die Stadt wie ausgestorben. Kein Mensch war zu sehen, niemand war unterwegs außer uns, kein Passant, kein Polizist. Fernsehstunde.
    Diese ruhige biedere Beamtenstadt hatte Feierabend gemacht, hielt sich die Augen und die Ohren zu und verschloß sich vor einer bitteren Realität. Diese Realität, das waren achtzig bis neunzig Raubüberfälle pro Nacht – so im Durchschnitt. Wir rannten bei Rot über die Kreuzung, bogen ab, kreuz und quer, waren stolz, ihn abgeschüttelt zu haben, dachten, wir wären ihn los. Aber nach einigen hundert Metern war der Wagen wieder da und fuhr wieder langsam hinter uns her wie zuvor.
    Juliette sah es zuerst. Und eigentlich hätten wir erleichtert sein müssen – aber andererseits fühlten wir uns provoziert: Die Insassen des Autos waren uniformiert. Aus dem Heck ragte eine lange Antenne. Einer der Beamten telefonierte. Ein getarnter Streifenwagen also.
    Hatten die nichts Sinnvolleres zu tun? Wollten die ›Cops‹ uns vor Unbill bewahren, uns wohlbehütet nach Hause geleiten? Hatten sie Mitleid mit mir? Vielleicht wirkte dieses riesenhafte, langbeinige, kurzgeschürzte, angeschickerte Mädchen an meiner Seite wie eine ernste Gefahr für einen armen, seriösen Touristen.
    Oder hatten wir uns verdächtig gemacht? Wer läuft schon zu Fuß in

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