Die Delegation
Florida war also ein gelenkter Zufall, ich traf ihn eine Stunde vor seinem Rückflug auf dem Flugplatz in Melbourne. Wir kauten an unzerstörbaren Steaks und tauschten Jugenderinnerungen aus. Nach diesem Vorgeplänkel landeten wir zwangsläufig bei der Raumfahrt:
»… der viele in diesem Land feindlich gegenüberstehen: rausgeworfenes Geld, verschwendete Anstrengungen, so sinnvoll und teuer wie die Pyramiden, was sollen wir denn auf dem Mond… das hört und liest man inzwischen allgemein. Die nationale Euphorie, nachdem die Russen beim Wettrennen geschlagen wurden, ist verflogen. Auf dem Mond zu landen, das ist selbstverständlich geworden, jetzt fragt man sich, was soll das Ganze. Die Teflon-Beschichtung der Bratpfannen wird als das einzig sinnvolle Überbleibsel der Raumfahrt-Ära bezeichnet – Nachrichten- und Wettersatelliten, unsere neuen Erkenntnisse in Metallurgie und Elektronik, in Medizin, Optik und Chemie, das wird alles übersehen. Aber es geht jetzt gar nicht um die sogenannten Abfallprodukte und Nebeneffekte – die sogenannten ›spin-offs‹. Früher war der Krieg der Vater aller Dinge, heute könnte es die Raumfahrt sein und ein neues Zeitalter friedlicher Eroberungen einleiten – wie damals, als zur Zeit der Renaissance die Entdeckungen neuer Kontinente auch ein neues Bewußtsein schufen, von kleinlichen kriegerischen Aggressionen für über ein Jahrhundert ablenkten. Die Neuzeit war angebrochen.
Der Mensch braucht ein geistiges Ziel, und das Vordringen in den Weltenraum eröffnet uns völlig neue Dimensionen. Was suchen wir denn auf dem Mond außer Steinen? – Nun, die Gründe, warum Mondbasen wissenschaftlich sinnvoll sind, füllen einige tausend Seiten. Aber abgesehen davon: Auch Lindbergh wollte, als er den Atlantik überquerte, nicht speziell und ausschließlich nach Paris. Er wollte zuallererst einmal beweisen, daß eine Überquerung des Atlantiks im Flugzeug möglich ist.
Das erschien damals vielen nur als eine sportliche Tat und eröffnete doch eine neue Epoche.«
Das war mir nun alles längst bekannt. Aber diese defensive Haltung offenbarte mir doch, daß eine Art Katzenjammer bei der NASA nicht zu übersehen war. Wie soll es weitergehen? »Noch ein paar Flüge zum Mond –,das war’s dann. Der Rest wurde gestrichen. Bleibt noch der Raumgleiter – sofern er nicht gestrichen wird, das schwerkraftfreie Raumlabor, die Grand-Tour zu den äußeren Planeten – sofern das nicht gestrichen wird.
Der Krieg in Vietnam ist teuer und besitzt für das amerikanische Selbstbewußtsein einen völlig anderen Stellenwert. Wir erhalten für die Raumfahrt nur noch zwei Prozent des Staatshaushalts – für Rüstung und Verteidigung dagegen… Na ja, lassen wir das.«
»Wie ist denn das mit den bemannten Flügen zu Mars und Venus – und zu anderen Planetensystemen?« Heinz Traubert lachte.
»Also, mal langsam, eines nach dem anderen. Für den Mars existieren konkrete Pläne. Für eine Realisierung stehen aber keine Mittel bereit.
Venus ist, im wörtlichen Sinne, ein ›heißes Eisen‹, vor allem erst mal heiß. In diese Hölle schickt man vorläufig keine Menschen. Unbemannte Spione, Sonden also, tun’s auch. Und zu anderen Sonnensystemen – also paß mal auf!« Heinz opferte eine Erbse, neben den Pommes frites das einzig Verdauliche an diesem Menü, und legte sie in die Mitte des runden Tisches.
»Das ist die Sonne, mal angenommen, ja? Und hier am Rand des Tisches, in siebzig Zentimeter Entfernung, dieses Sandkorn hier, das ist die Erde. Und der Mars, noch ein Sandkorn, schwebt hier, wo ich sitze. Und die Venus befindet sich dort, wo dein Bierglas steht. In diesem kleinen Bereich können wir uns heute schon mit der vorhandenen Technik bewegen – auch wenn jede Reise viele Monate dauert. Zu den äußeren Planeten, die schwirren da drüben herum, bei den nächsten Tischen, dort beim Kellner, da kommen wir zur Not auch noch hin, mit Ionen-Raketen, da sind die Prototypen bereits erprobt.
Aber das nächste Sternensystem, das wäre dann ja nicht mehr ›interplanetarische‹, das wäre ›interstellare‹ Raumfahrt, das nächste System befindet sich, nach unserem Modell, auf den Bahamas, oder, wenn wir in München säßen, auf dem Bahnhofsplatz in Stuttgart, über zweihundert Kilometer entfernt. Auf der Suche nach anderen Zivilisationen schaffen wir eine Raumreise mit allen bis heute vorstellbaren technischen Möglichkeiten nie – nach unserem Miniaturmodell hier liegt der nächste bewohnte
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