Die dem Mond ins Netz gegangen - Lene Beckers zweiter Fall (Lene Becker ermittelt) (German Edition)
Lapin verschwand im Caravan, die Kriminaltechniker ließen ihm den Vortritt. In Anbetracht der Enge blieb auch Renaud bei Lene stehen.
» Eigentlich hätte auch der normale Arzt hier genügt, aber der war bei einem Notfall. Und glücklicherweise wohnt Lapin nur etwa dreißig Kilometer von hier entfernt. Er arbeitet in der Rechtsmedizin in Montpellier. Waren Sie schon im Caravan? Und wie haben Sie von dem Mord erfahren?«
Lene berichtete ihm von Hen ri. Er müsste auch gleich wiederkommen - wenn er sich nicht lieber mit dem Whiskey weiter beruhigte, setzte sie in Gedanken hinzu – und beschrieb, wie er das Opfer vorgefunden hätte.
» Ich weiß ihren Nachnamen nicht, nur, dass sie Brigitte heißt und Deutsche ist. Seit etwa zwei Monaten ist sie hier und verkauft abends Eis in dem Restaurant von Gilles draußen in dem Gastronomie - und Ladenteil der Anlage. Vielleicht weiß Henri mehr. Er ist ihr Nachbar. Oder Frank und Nicole. Sie sprechen aber kein Französisch.«
In diesem Augenblick schwenkte die französische, männliche Wahrnehmung zu ihr. Ein kurzer Intensivblick, der sie von oben bis unten abscannte, dann ein Lächeln. Gefällt ihm wohl, was er sieht, dachte sie innerlich feixend.
» Wie kommt es, dass Sie so gut Französisch sprechen?« fragte Renaud mit einem charmanten Lächeln.
Wenn er wüsste, dass ich auch manchmal viel raten muss, um den Ve rlauf eines Gesprächs zu verstehen, besonders unter Franzosen. Stattdessen antwortete sie wahrheitsgemäß, sie sei nach dem Abitur ein Jahr in Frankreich gewesen um Französisch zu lernen.
» Ich komme schon seit fast 20 Jahren hierher, jeden Sommer. Und habe Freunde hier, meist Franzosen. Das hilft mir auch mit der Sprache.«
» Das ist gut. Isch spräsche nischt Allemand . Mais « – fiel er wieder ins Französische, „könnten Sie mir vielleicht später bei den Befragungen der deutschen Touristen hier helfen?«
Lene schmunzelte und stimmte gern zu, wollte sie doch selbst wissen, was vorgefallen war. Ein Mord hier konnte sie nicht unberührt lassen, auch wenn sie Ferien hatte.
Währenddessen kam erneut ein Wagen, diesmal ein junger Mann mit Fotoausrüstung. Er warf dem Kommissar nur ein kurzes salut zu und rannte fast zum Caravan. Lene folgte ihm mit einem jetzt wieder resoluten Renaud. Die Kriminaltechniker hatten inzwischen eine Absperrung aus blau-weißem Polizeiflatterband gezogen und hielten damit die sich jetzt immer mehr ansammelnden Urlauber vom Tatort fern.
» Gehen Sie doch bitte wieder schlafen«, baten sie, wenn auch in den meisten Fällen vergebens. Frank und Norbert hielten weiterhin die Neugierigen zurück. Die Schreckensausrufe, Beruhigungslaute und die Diskussionen, warum und weshalb Brigitte, klangen als gemischtsprachiges Durcheinander zu ihnen hinüber.
Der Rechtsmediziner kam heraus, er wollte sich nicht auf die genaue Tatzeit festlegen. So zwischen Mitternacht und zwei Uhr etwa, mutmaßte er, und schloss umständlich seinen Arztkoffer. Renaud murrte, und Lene musste innerlich lächeln. Die Szene kannte sie von jedem Tatort ihres Polizistenlebens.
Inzwischen war auch der Direktor des Campingplatzes , Paul Foulois, erschienen. Und das mitten in der Nacht, dachte sie. Aber er war auch sonst immer und überall zu sehen, engagierte sich bei jedem Problem auch selbst. Und ein Mord auf „seinem« Platz musste schrecklich für ihn sein.
Während sich Renaud noch mit ihm und dem Pathologen besprach, dachte sie an Mikes Anruf vorgestern. Sie war schon vorausgefahren hierher ans Mittelmeer, Mike wollte in einer Woche nachkommen. Alles perfekt geplant. Erst drei Wochen hier in Frankreich, dann noch eine Woche in Nürnberg, wo sie ihm, dem Amerikaner, ihr Zuhause und ihre Stadt zeigen wollte. Sie hatten sich so aufeinander gefreut! Lene hatte Detective Mike Fuller im Frühling des letzten Jahres in San Francisco kennengelernt, wo sie gemeinsam den Mord an Lenes amerikanischer Cousine Joanne aufgeklärt und sich währenddessen ineinander verliebt hatten. Lene atmete einmal tief durch. Die Enttäuschung vor drei Tagen war groß gewesen, als er anrief, dass er noch in San Francisco bleiben müsse, da es dort einen Mord an einer vierköpfigen Familie gegeben hätte. Der Polizeipräsident ließe ihn einfach nicht weg. Er hoffte, in zwei bis drei Wochen nachkommen zu können. Dann wiederum war ihr Urlaub fast zu Ende. Immer kam der Beruf zuerst, bei Mike eben auch. Ach, Mist, dachte sie. Sonst war sie diejenige, der ein Fall dazwischen kam.
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