Die dem Mond ins Netz gegangen - Lene Beckers zweiter Fall (Lene Becker ermittelt) (German Edition)
Brigittes Campingplatz, gab sie durch und versprach, sie würde am Tatort warten und verhindern, dass Neugierige den Platz betraten und mögliche Spuren vernichteten.
» Ich bin selbst von der Polizei, Kriminalkommissarin in Allemagne, in Deutschland, genauer aus Nürnberg. Ja, ich warte auf Sie. Informieren Sie den Campingeingang? Ja, ich sage Bescheid.«
Sie drückte Henri in einen Campingsessel in ihrem Vorzelt, goss ihm ein Glas Whiskey ein und stellte die Flasche neben ihn auf den Tisch. Dann tauschte sie den Pareo, das leuchtende Baumwolltuch, das sie sich vorhin eilig umgewickelt hatte, gegen einen Sommerrock mit T-Shirt. Nahm erst das zweite, da auf dem ersten La vie est belle stand. Zynisch kam ihr das vor in diesem Augenblick und sie warf es zornig auf ihr Bett. Während sie schon ihr Fahrrad bestieg, beschwichtigte sie Henri, er solle sich Zeit nehmen, bevor er nachkäme.
» Du weißt ja, dass jetzt erst einmal der Tatort gesichert werden muss, aber dann will der Kommissar oder die Kommissarin bestimmt mit dir sprechen.«
Lene fuhr so schnell, dass ihre Räder in der Kurve fast weggerutscht wären. Sie erreichte die Allee, in der Henri und Brigitte wohnten, und hielt vor Brigittes kleinem Wohnwagen. Bewusst widerstand sie dem inneren Impuls, selbst nach Brigitte zu sehen. Nachdem, was Henri, der durch seinen Beruf häufig mit Brand- und Verkehrsopfern oder Ertrunkenen zu tun gehabt hatte, gesagt hatte, bestand an ihrem Tod kein Zweifel und in der Enge des kleinen Wohnwagens konnte sie zu leicht selbst Spuren verwischen. Es war schon ärgerlich für die Ermittlungen, dass Henri darin gewesen war, wenn auch notwendig in dem Augenblick.
Stille. Noch. Das Bein im Eingang des Wohnwagens grausam beleuc htet. Das Licht der Straßenlampen, die die Dunkelheit der Allee in größeren Abständen erhellten, gaukelte Sicherheit und Behütetsein vor. Rechts und links Menschen, die in ihren Wohnwagen oder Caravans, wie man hier sagte, friedlich schliefen.
Immerhin hatte noch niemand etwas bemerkt, niemand war da, konstatierte sie aufatmend, und rief am Campingeingang an um die Polizei anzukündigen. Sie versuchte so leise wie möglich zu sprechen, aber in der nächtlichen Stille schien jedes Wort weit zu hallen. Einen Platz weiter ging schon ein Licht an.
» Was ist los? Kann man hier gar nicht schlafen? Vorhin schon der Streit oder was auch immer da aus Brigittes Caravan tönte, jetzt schon wieder – wir haben auch Urlaub!«, dröhnte eine deutsche Stimme.
D ann tauchte Frank neben ihr auf, sein markantes, noch verschlafenes Gesicht zornig verzogen. Sie kannte ihn und seine Frau flüchtig von einer Einladung bei gemeinsamen Bekannten. Er schaute perplex, als er sah, wen er vor sich hatte.
» Lene, was machst du denn hier mitten in der Nacht?« fragte er jetzt merklich leiser. »Wolltest du zu Brigitte? Die hatte jemanden dabei vorhin, ich hörte sie mit jemandem reden. Klang nach Streit.«
Er verstummte abrupt und s chaute plötzlich verunsichert hinüber zu der beleuchteten, offenen Wohnwagentür. Es war, als ob er in dem Moment das Unheimliche, das über dem Platz lag, spürte.
» Was ist los?« fragte er jetzt noch leiser.
» Brigitte ist tot. Ich warte hier auf die Polizei.«
Er wollte sofort zum C aravan. Lene hielt ihn am Arm fest.
» Das geht jetzt nicht. Es sieht so aus, als sei sie ermordet worden. Der Tatort muss erst von der Polizei gesichert werden – und untersucht. Das weißt du doch - zumindest aus den Fernsehkrimis. Halte bitte Abstand und pass mit mir auf, dass niemand zu nahe herankommt.«
Sie stand in der Dunke lheit, die beleuchtete Tür wie eine Theaterbühne, auf der gleich etwas Unheimliches geschehen würde. Schon geschehen war, korrigierte sie sich.
Ihr Ferienparadies - und nun gab es selbst hier eine solche Gewalttat. Die Schlange hatte ihr Schlupfloch gefunden. Brigitte – oder wie die Franzosen sagten Brischiet – war Deutsche, das wusste sie. Sie war vor zwei Monaten hier aufgetaucht, hatte Henri ihr neulich erzählt. Manchmal hatte Lene mit ihr gesprochen, ein bisschen Small Talk über das Wetter, die Meerestemperatur. Die wichtigen Fragen des Urlaubs eben.
Aber nun gab es keine Brigitte mehr – nur noch Eltern, die trauern würden, vielleicht Geschwister, Freunde. Ein Freund? Das Gesicht Sophies schob sich dazwischen. Ihre eigene Tochter. Das Grauen, dass sie empfand bei der Vorstellung, es könnte ihr etwas geschehen, wie es beinahe passiert wäre letztes Jahr in
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