Die denkenden Wälder
sanft von sich. Din war mit dreizehn kein Kind mehr. Es war also nicht mehr so leicht, ihn von sich zu schieben.
Hinter dem Waisenknaben rollte ein fettes Pelzknäuel einher, das noch nicht ganz so groß wie der Junge war. Das Pelzigerjunge Muf stolperte bei jedem dritten Schritt über seine eigenen Stummelbeine. Als es zum dritten Mal stolperte, legte es sich mitten im Dorf schlafen; das war die beste Lösung des Problems. Ruumahum musterte das Junge und brummte mißbilligend. Aber er konnte es ihm nachfühlen: er selbst fühlte sich auch schläfrig. Es war Zeit für ein ausgedehntes Nickerchen. Born ging nicht unmittelbar auf sein Haus zu, sondern auf das eines anderen.
»Geh Hell!«
Grüne Augen, so grün wie die dunkelsten Blätter, spähten heraus, und dann folgte ihnen Gesicht und Körper einer Waldnymphe, schlank wie ein Kätzchen. Sie ergriff seine beiden Hände.
»Schön, daß du zurück bist, Born. Alle haben sich Sorgen gemacht. Ich . . . war sehr besorgt.« »Besorgt?« antwortete er herablassend. »Wegen eines kleinen Grasers?« Er machte eine weit ausholende Handbewegung in Richtung des Kadavers. Ruumahum war wütend, voll unfreundlicher Gedanken über Menschen, die sich zuerst mit Frivolitäten befaßten und erst dann das Wohlergehen ihrer Pelziger im Auge hatten. Geh Hell starrte den Graser an, und ihre Augen wurden so groß wie Rubinartblüten. Dann runzelte sie unsicher die Stirn. »Aber Born, das kann ich doch nicht alles essen?« Borns Lachen klang etwas gezwungen. »Du kannst von dem Fleisch haben, was du brauchst, und deine Eltern auch. Und der Pelz gehört natürlich dir.«
Geh Hell war das schönste Mädchen im Dorf, aber manchmal ertappte Born sich dabei, wie er unfreundliche Dinge über ihre anderen Qualitäten dachte. Aber dann mußte er wieder an ihre dünnen Blattlederhüllen denken, und er vergaß alles andere.
»Du lachst mich aus«, protestierte sie verärgert. »Du sollst mich nicht auslachen!« Natürlich reizte ihn das nur noch mehr, sie auszulachen.
»Losting«, erklärte sie voll Würde, »lacht mich nicht aus.« Das brachte ihn schnell zum Schweigen. »Wen interessiert es denn, was Losting tut?« forderte er sie heraus.
»Mich interessiert es.«
»Hmm . . . nun gut.« Irgend etwas war plötzlich schiefgegangen. Das entwickelte sich nicht so, wie er es sich vorgestellt hatte. Wie er es geplant hatte. Aber irgendwie war das immer so.
Er sah sich in dem schweigenden Dorf um. Einige der älteren Leute hatten ihn aus ihren Häusern beobachtet, als er zurückgekehrt war. Jetzt, da der Reiz des Neuen vorbei war, wandten sie sich wieder ihren Haushaltspflichten zu. Die meisten Erwachsenen waren natürlich auf der Jagd unterwegs oder beim Sammeln von Früchten, oder damit beschäftigt, den Heimbaum von Parasiten freizuhalten. Die erwartete Bewunderung hatte sich irgendwie nicht entwickelt. Er hatte also sein Leben riskiert, um zu ein paar neugierigen Kindern zurückzukehren und einer Geh Hell, die ihm gegenüber gleichgültig war. Seine anfängliche Euphorie verflog. »Ich werde dir jedenfalls den Pelz saubermachen«, brummte er. »Komm, Ruumahum.« Er wandte sich ab und ging verärgert zum anderen Ende des Dorfes. Hinter ihm vollzogen sich im Gesicht von Geh Hell ein paar Veränderungen, die ein breites Spektrum von Gefühlen anzeigten. Dann drehte sie sich um und ging ins Haus ihrer Eltern zurück.
Ruumahum schnaubte erleichtert, als schließlich das Gewicht von seinem Rücken genommen wurde, und er sich wieder frei bewegen konnte. Gleich darauf stapfte er zu seiner Ecke in dem großen Saal, legte sich nieder und entschwand in jene Region, die alle Pelziger am meisten lieben. Halblaut vor sich hin murmelnd packte Born seinen Jägergürtel aus, nahm den Umhang ab und machte sich an die Arbeit, den Graser zuzubereiten. Dabei ging er so wütend mit dem Knochenmesser um, daß er ein paarmal beinahe das Fell verletzt hätte. Als nächstes kam die Fettschicht unter der Haut. Es war nicht leicht, den Kadaver zu bewegen, aber Born schaffte es, ohne Ruumahum wecken zu müssen. Das Fett wanderte in einen hölzernen Trog. Später würde es geschmolzen und zu Kerzen verarbeitet werden. Jetzt hatte er endlich die Fleischschicht erreicht und schnitt große Stücke davon ab, die man trocknen und aufbewahren würde. Die Innereien und sonstigen nichteßbaren Teile wanderten in die Grube hinten im Raum. Dann deckte er sie mit der fertigen Mulchmixtur ab und fügte Wasser aus einer hölzernen
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