Die denkenden Wälder
Marsch vor uns, Ruumahum«, erklärte Born. »Letzte Nacht war langer Regen. Bis Mittag sollte es rote Beeren und Pium geben.« Der Gedanke an Nahrung ermunterte Ruumahum. Er hätte es vorgezogen zu schlafen, aber . . . nun, Pium war eine feine Sache. Ein letztes Sichdehnen, die Krallen seiner Vorderpfoten gruben acht parallele Furchen in das Holz der Gallenblase, das zäh wie Metall war. Manchmal, das mußte er einräumen, war es ganz angenehm, Menschen um sich zu haben. Sie hatten so eine unnachahmliche Art, gute Sachen zum Essen zu finden und das Essen vergnüglicher zu machen. Dafür war Ruumahum bereit, Borns Fehler zu übersehen. Seine drei Augen leuchteten heller. Die Menschen schmeichelten sich, daß die Zähmung der ersten Pelziger eine große Leistung gewesen sei.
Die Pelziger hatten keinen Anlaß, dagegen Einspruch zu erheben. Tatsächlich hatten sie sich den Menschen mehr aus Neugierde angeschlossen. Menschen waren die ersten Geschöpfe, die den Pelzigem je begegnet waren, deren Verhalten unvorhersehbar genug war, um sie wachzuhalten. Man konnte wirklich nie vorhersehen, was ein Mensch als nächstes tat, selbst wenn man ihn gut kannte. Also hielten sie den Pakt, ohne wirklich zu verstehen, weshalb sie es taten. Sie wußten nur, daß an der Beziehung etwas Nützliches und Gutes war. Der Gedanke an die Piumherzen hielt Ruumahum lange genug wach, daß Born, ohne zuviel Zeit zu vergeuden, den Graserkadaver auf seinem Rücken festzurren konnte.
Entweder hatte kein Aasfresser ihr Lager gefunden, oder sie hatten es vorgezogen, den tödlichen Dornen aus dem Wege zu gehen. Born zog die Jacaris nacheinander aus dem Lianengewirr, barg sie in seinem Köcher, schlang sich die Liane um den Gürtel und machte sich wieder auf den Weg. »Nahe Heim«, murmelte Ruumahum an jenem Abend und fuhr sich mit seiner dicken, gebogenen Zunge über die Rückseite seiner Vorderpfote.Born hatte schon seit einer Stunde vertraute Landmarken und Baummarkierungen erkannt. Da war zum Beispiel der Sturmtreterbaum, der den alten Hanna tötete, als dieser einen Augenblick lang nicht aufgepaßt hatte. Sie schlugen einen weiten Bogen um den schwarzsilbernen Stamm. Einmal mußten sie stehenbleiben, als ein Bunaschweber mit langen Tentakeln an ihnen vorbeizog. Während sie warteten, stieß der Schweber einen langen zischenden Pfiff aus und ließ sich tiefer sinken. Vielleicht wollte er sein Glück auf der Vierten Etage versuchen, wo es mehr Buschäcker gab. Born war hinter einem Baumstamm hervorgetreten und wollte gerade seinen Umhang ablegen, als über ihnen ein Kreischen ertönte, das laut genug war, um ein Pfeffermall zum Zerspringen zu bringen, lauter als das Heulen eines Schollakee auf der Jagd. Der Schrei kam so plötzlich und war so überwältigend, daß der normalerweise nicht aus seiner Ruhe zu bringende Ruumahum unwillkürlich Kampfstellung einnahm und sich trotz des Grasers auf seinem Rücken gegen den nächsten Stamm preßte und die Vorderpfoten mit ausgestreckten Klauen hob.
Der Schrei ging in ein Stöhnen über, und dann war plötzlich ein überwältigendes, erschreckendes Krachen und Brechen zu hören. Selbst der Ast des nächsten Säulenbaumes erzitterte. Dann zitterte sogar der Ast, auf dem sie standen. Ruumahum konnte sich dank seiner überlegenen Kraft festhalten, aber Born war nicht so sicher. Er fiel ein paar Meter tief, brach durch ein paar hilflose Blattgewächse, bis er auf Widerstand traf. Fast wäre er weiter gestürzt, hätte er nicht rechtzeitig beide Arme um den steifen Fom klammern können. Das Vibrieren hörte auf, und er konnte sich auch mit den Beinen daran festhalten.
Zitternd richtete er sich auf. Er hatte sich anscheinend nichts gebrochen, alles funktionierte noch. Aber sein Bläser war verschwunden; sein Band war gerissen, und so war er in die Tiefe gestürzt. Das war ein schlimmer Verlust. Die krachenden und brechenden Geräusche wurden leiser und hörten schließlich ganz auf. Born bildete sich ein, beim Fallen in der Ferne eine unglaublich große Masse von etwas Blauem, Glänzendem gesehen zu haben. Es war ebenso schnell wieder vorbei gewesen, und jetzt war in dem grünen Dschungel nichts mehr davon zu sehen. Schnüffler und Orbiolen kamen aus ihren Verstecken, riefen prüfend ins Dickicht. Dann schlossen sich Buschacker und Blumenkits und ihre Verwandten an, und nach wenigen Minuten erklang um sie wieder die vertraute Sinfonie des Dschungels.»Etwas geschehen«, meinte Ruumahum leise. »Ich glaube, ich
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