Die denkenden Wälder
schloß sich wieder, und Ruumahum legte sich den schweren Kopf auf den Vorderpfoten zurecht.
Muf zögerte eine Weile, ehe er herausplatzte: »Alter, bitte?« Ruumahum seufzte, wie nur ein Pelziger seufzen kann, und hob den Kopf etwas an. Diesmal standen alle drei seiner Augen offen. Das Junge ließ den Kopf sinken und musterte das Dorf, das unter ihnen schlief. »Mein Mensch, der kleine Din, ist beunruhigt.« »Alle Menschen sind beunruhigt«, erwiderte Ruumahum. »Geh schlafen.«
»Er sorgt sich um seinen Halbvater, den Menschen Born. Deinen Menschen.«
»Es gibt keine Blutsbindung«, murmelte der große Pelziger und ließ den Kopf sinken. »Die Gefühlsreaktion des Menschenjungen ist unvernünftig.«
»Alle Reaktionen von Menschenjungen sind unvernünftig.
Ich fürchte, diesmal ist die Reaktion meiner Menschen vernünftig.«
Ruumahum hob die Brauen. »Abkömmling eines Unfalls, könnte es sein, daß du anfängst, weise zu werden?« »Ich fürchte«, fuhr das Junge fort, »das Menschenjunge wird etwas Unüberlegtes tun.«
»Die Älteren werden es daran hindern, so wie ich dich daran hindern würde. Und wenn du mich jetzt nicht ruhen läßt, werde ich noch Schlimmeres tun.« Muf wandte sich zum Gehen, blickte über die Schulter und grollte verärgert: »Sag bloß nicht, daß ich dir nichts gesagt hätte, Alter.« Ruumahum schüttelte den Kopf, fragte sich, wie es kam, dass Junge so neugierig und respektlos waren und überhaupt kein Verständnis für das Ruhebedürfnis älterer Artgenossen hatten. Zu allen möglichen und unmöglichen Stunden kamen sie einem mit Fragen. Der Trieb, seine Wißbegierde zu stillen ein Trieb, der ihn auch einmal geplagt hatte, wie er sich erinnerte , der Trieb war noch da, aber von seiner Erfahrung geläutert. Auch von dem Wissen geläutert, daß der Tod alles erklärte.
Er legte sich den Kopf wieder auf den überkreuzten Pfoten zurecht, ignorierte den gleichmäßig tröpfelnden Regen und war sofort wieder eingeschlafen.
Born brach ärgerlich einen weiteren toten Ast vom Stamm eines Tertiärparasiten, freilich trotz seiner Wut sorgfältig darauf bedacht, keinen der gesunden, lebenden Triebe zu verletzen.
Vier Tage waren sie nun schon unterwegs, seit sie das Heim verlassen hatten, und sein Ärger über die Gruppe mürrischer Jäger hatte noch nicht nachgelassen. Aber ein Teil dieses Ärgers richtete sich jetzt auf ihn selbst, weil er sich auf diese verrückte Expedition eingelassen hatte. Ruumahum durchstreifte den Wald zur Linken. Er spürte die schlechte Stimmung seines Menschen und hielt sich fern. Ein Mensch, den der Ärger blendete, war in seinen Reaktionen ebensowenig vorhersehbar wie ein beliebiger Bewohner des Waldes. Und das Schlimmste von allem war ein Mensch, der auf sich selbst wütend war.
7
Die erschreckende Inkompetenz der Riesen steigerte Borns Verstimmung noch. Sie schienen überhaupt keine Ahnung vom normalen Gehen oder Klettern zu haben. Ein Kind konnte sich besser auf den Beinen halten als sie. Wäre er nicht stets in ihrer Nähe gewesen, bereit einzugreifen, so hätte es bereits einige katastrophale Stürze gegeben. Was aber würden sie tun, wenn ein brauner Vielbein oder ein Bunaschweber sie angriff? Ruumahum weit unter ihnen Wacht, wenn sie sich gefährlichen Orten näherten, aber selbst die überschnellen Reflexe des Pelzigers würden vielleicht nicht ausreichen, einen Sturz über einige Etagen hinweg auf zuhalten. Und ein einziger solcher Sturz konnte schon genügen, um die Expedition zu beenden.
Er brach den letzten Ast ab, sammelte das Holz in den Armen und machte sich auf den Weg zurück zu dem Stück Kabbl, das er für diesen Abend als Lagerplatz ausgewählt hatte. Heute schien es, als kämen die Riesen etwas besser von der Stelle, als bewegten sie sich etwas weniger zögernd durch die Bäume. Cohoma drohte nicht jedesmal auszugleiten, wenn er zur nächsten Liane sprang oder sich nach ihr streckte. Logan hatte sich endlich selbst davon überzeugt, daß es gefährlich war, nach jeder neuen Blume oder Pflanze zu greifen, die sie sahen. Born konnte bei der Erinnerung an den Zwischenfall vor zwei Tagen nicht lächeln, als sie aus einer kelchförmigen Zinnoberinpflanze hatte trinken wollen. Nur sein schnelles Einschreiten und ein harter Schlag auf den Arm hatte sie im letzten Moment daran gehindert, sie zu berühren. Sie hatte ihn böse angefunkelt, bis er ihr die winzigen Unterschiede zwischen dem Zinnoberin und den sie umgebenden Zinnoberpflanzen
Weitere Kostenlose Bücher