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Die denkwürdige Geschichte der Kirschkernspuckerbande (German Edition)

Die denkwürdige Geschichte der Kirschkernspuckerbande (German Edition)

Titel: Die denkwürdige Geschichte der Kirschkernspuckerbande (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gernot Gricksch
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mal!«, forderte er Dilbert auf und seine großen, runden Augen sahen seinen Bruder erwartungsvoll an.
    » Also«, begann Dilbert, während er seinem Bruder über das glatte Haar strich, »die Jungen riefen ›Mongo! Mongo!‹.«
    » Ich bin ein Mongo!«, sagte Klaus stolz.
    »Nein«, sagte Dilbert streng. »Du bist mongoloid, kein Mongo. Und du bist mein Bruder.« Er lächelte. »Also, ich hab’ mir diesen Mülleimer geschnappt und …«
    Ihre Mutter rief aus der Küche: »Essen ist fertig!« Dilbert rappelte sich auf und zog Klaus dann an seinem Arm hoch. »Wasch dir die Hände«, forderte er seinen Bruder auf.

1969
    I ch weiß das Datum noch! Es war der 14. April 1969. Sven, Susann und ich wollten in dem kleinen Waldstück an der Berner Au ein Baumhaus bauen. Ich hatte meinem Vater von der Werkbank eine Säge, Nägel und einen Hammer gemopst. Wir malträtierten eine alte Buche; ich war ein Stück auf sie hinaufgeklettert und sägte wie bescheuert an einem der dicken Äste herum. Sven und Susann hatten eine Weile lang mehr oder weniger vergeblich versucht, kleine Äste als Leiterstufen an den Stamm zu nageln. Als ihre Arbeit offenkundig keine Blüten trug, begannen sie das Interesse an unserem Bauprojekt zu verlieren. Sven, der sich ungern schmutzig machte, war sowieso keine große Hilfe. Und Susann glänzte meiner Ansicht nach durch überwältigendes Ungeschick. Nein, ich konnte mit ihr einfach nichts anfangen: Sie war einfach die Tussi, die mir langsam, aber sicher meinen Freund Sven wegnahm, die ihn verweichlichte und meinen Status als sein Guru längst zum Bröckeln gebracht hatte. Und sie hatte immer etwas zu nörgeln!
    »Ich hab keine Lust mehr. Das bringt doch nichts«, quengelte sie. Aber ich ignorierte sie. Ich wollte das Wäldchen erst verlassen, wenn wir zumindest das Rudiment eines Baumhauses erschaffen hätten. Susann nölte weiter: »So ein Baumhaus ist blöd!« Ich konterte, zugegebenermaßen nicht überwältigend schlagfertig: »Nein. Du bist blöd!« Es ging hin und her. Tatsächlich ging es nicht wirklich um das Baumhaus, sondern vielmehr darum, wer die Kontrolle über Sven hatte, wem von uns beiden er gehorchen würde. Ich schickte Sven zum Bach hinunter, wo er ein paar Steine sammeln sollte, mit denen ich irgendein Brett beschweren wollte. Susann stachelte ihn auf, dass es dort total matschig sei und ich ihn mal kreuzweise könne. Er könne doch mit zu ihr kommen, Monopoly spielen. Ich blaffte ihn an: »Ihr könnt ja auch Barbiepuppen spielen!« Sven fing an zu heulen. Wieder mal! Also schnauzte ich Susann an: »Du hast aus Sven eine richtige Heulsuse gemacht!« Und da wurde sie wütend! Sie schnappte sich den Hammer, der auf dem Boden lag, und ohne großartig nachzudenken – aber mit einem wütenden Kreischen – schleuderte sie das Ding zu mir hoch auf den Baum. Es traf mich an der Schläfe. Nicht doll, wirklich nicht. Aber ich geriet ins Wanken und fiel hinunter ins Moos. Rund zwei Meter, schätze ich mal. Das Ganze tat nicht besonders weh, war halb so wild, aber es muss echt schlimm ausgesehen haben. Susann jedenfalls war für einen kurzen Moment starr vor Schreck. Petra hätte mir jetzt vermutlich, wo ich schon so passend hilflos dalag, noch zwei-, dreimal in die Rippen getreten, aber Susann war aufrichtig entsetzt über sich selbst. Sie raste auf mich zu, sagte immer wieder: »Tut mir Leid! Tut mir Leid!«, fragte, ob ich mir etwas gebrochen hätte, und tastete meine Schläfe ab, die an der Aufprallstelle deutlich gerötet war. Immer wieder entschuldigte sie sich, mittlerweile mit Tränen in den Augen. Und dann beugte sie sich über mich und küsste mir ganz zart meinen Kopf, dorthin, wo mich der Hammer getroffen hatte.
    Ich war neun Jahre alt, und es war mein erster Kuss von einem Mädchen.
    Er fühlte sich toll an!
    * * *
    Der Wecker klingelte. Halb vier. Nachts.
    Bernhard rieb sich die Augen, reckte sich und stand dann auf. Er ging in die Küche, deren Abstellflächen voll leerer Flaschen und Dosen, voll Tellern mit angetrockneten Nudelresten standen. Bernhard öffnete den Kühlschrank und nahm sich eine Flasche Cola. Dann ging er ins Wohnzimmer. Er gab sich keine Mühe, leise zu sein. Er wusste, dass seine Eltern nicht aufwachen würden. Nichts weckte je seine Eltern, außer ein absinkender Alkoholspiegel. Und selbst wenn sie bemerken würden, dass ihr Sohn mitten in der Nacht durch die Wohnung geisterte: Es wäre ihnen egal.
    Auf dem Sofa schlief sein Vater. Seine Eltern hatten

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