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Die Deutschen

Die Deutschen

Titel: Die Deutschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Artur Müller
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Hindenburg und Ludendorff hatten bereits am 29. September erklärt, daß Deutschland nicht mehr weiterkämpfen könne. Die Oberste Heeresleitung schlug vor, man solle versuchen, Erleichterungen zu erreichen; gelänge das nicht, sei der Waffenstillstand trotzdem abzuschließen. Da die Entente jede Diskussion über die Bedingungen ablehnte, bleibt der Regierung nichts anderes übrig, als ihren Unterhändler Erzberger zur Unterzeichnung zu ermächtigen. Zur gleichen Zeit findet eine Sitzung statt, in der die Revolutionären Obleute ihre Taktik festlegen, denn sie wissen bereits, daß die Wahlen zu den Arbeiter- und Soldatenräten nicht zu ihren Gunsten ausgegangen sind. Richard Müller: »Eine Regierung ohne die Rechtssozialisten ist nicht zu erreichen. Das muß man als Tatsache hinnehmen. Die Rechtssozialisten werden alles versuchen, um zur Nationalversammlung und damit zur bürgerlichdemokratischen Republik zu kommen. Wenn ihnen das gelingt, ist die Revolution verloren.« In fieberhaften Debatten wird plötzlich ein Gedanke geboren, der den Obleuten als die Rettung erscheint. Sie beschließen, eine Art Gegenregierung zu bilden, die man als »Aktionsausschuß der Arbeiter- und Soldatenräte« zur Abstimmung vorschlagen will. Man will über die Aufgaben dieses Aktionsausschusses nicht debattieren, sondern die Gegner erst später, eben in der Aktion, mit dem regierungsgleichen Organ bekannt machen.
    Um 17 Uhr beginnt im Zirkus Busch die Vollversammlung der Berliner Arbeiter- und Soldatenräte. Den Vorsitz führt Emil Barth, einer der Revolutionären Obleute, der zugleich Volksbeauftragter in der neuen Regierung ist. In den unteren Rängen sitzen etwa tausend Soldaten, die sich bereits für die Mehrheitssozialisten bzw. für eine bürgerliche Republik entschieden haben. In den aufsteigenden Rängen sitzen etwa 1000 bis 2000 Arbeiter und Arbeiterinnen, die in ihrer Mehrheit den Sozialdemokraten oder dem rechten Flügel der uspd zuneigen. In der Manege sitzen an improvisierten Holztischen die Führer der Sozialistischen Parteien von Ebert bis Liebknecht. Barth erteilt als erstem Redner Friedrich Ebert das Wort. Die Mitteilung Eberts, daß zwischen den beiden sozialdemokratischen Parteien eine Einigung über die Bildung einer Regierung zustande gekommen ist auf der Grundlage, daß je drei Vertreter der Mehrheitsozialisten und der Unabhängigen in die neue Regierung eintreten, ruft brausenden Beifall hervor. Zwischenrufe von seiten der Spartakusgruppe werden von den Versammelten sehr energisch zurückgewiesen. Während Hugo Haase die Feststellungen Eberts mit matten Worten bestätigt, wendet sich Karl Liebknecht scharf gegen Ebert: »Ich muß Wasser in den Wein Eurer Begeisterung schütten. Die Gegenrevolution ist bereits auf dem Marsche, sie ist bereits in Aktion! Sie ist bereits hier unter uns!« Liebknecht erklärt, daß die Revolution nicht nur von »den Militaristen und Monopolherren, sondern auch von jenen bedroht werde, die heute mit der Revolution gehen, sie jedoch vorgestern noch bekämpft haben.« Er ruft auf, »sorgfältig die Männer auszuwählen, die man in die Regierung schickt und an die Spitze der Räte stellt.« Die Ausführungen Liebknechts werden besonders von den Soldaten mit steigendem Lärm aufgenommen, und schließlich geht die Rede in den Sprechchören »Einigkeit, Einigkeit!« unter.
    Nun soll der Aktionsausschuß gewählt werden. Barth hält eine allzu lange Rede; als er dann die Vorschlagsliste zur Wahl des Vollzugsrates vorliest, auf der nur Unabhängige und Spartakusleute stehen – unter anderen Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg – dringen Soldaten mit erhobenen Gewehren und Säbeln gegen das Präsidium vor und schreien: »Einigkeit! Parität! Parität!« Barth will sein Amt niederlegen und droht, sich eher eine Kugel durch den Kopf zu schießen als mit den Regierungssozialisten zusammenzuarbeiten. Er hat offenbar ganz vergessen, daß er sich schon bereit erklärt hat, mit in die Regierung einzutreten. Richard Müller und Karl Liebknecht versuchen, gegen die paritätische Besetzung des Vollzugsrates zu sprechen, aber beide werden niedergeschrien. Soldaten stürzen in die Manege; der Tumult ist so groß, daß die Versammlung unterbrochen werden muß. Karl Liebknecht und die übrigen Spartakusanhänger erklären, sie müßten feststellen, daß nicht mehr verhandelt werden kann, und verlassen das Zirkusgebäude. In der Manege diskutieren die Vertreter der spd. Inzwischen verlangen die Soldaten

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