Die Deutschen
nicht nur eine Parität zwischen spd und uspd, sondern auch zwischen Arbeitern und Soldaten. Endlich kann die Versammlung wieder eröffnet werden. Am Ende werden in den Vollzugsrat sieben Unabhängige Sozialdemokraten, sieben Regierungssozialisten und vierzehn Soldatenvertreter gewählt. Ergebnis: die Mehrheit des Vollzugsrates besteht aus Gegnern der Revolutionären Obleute. Nun schlägt der Vorsitzende der Versammlung vor, das politische Kabinett zu bestätigen, und nennt hierbei die Namen der Kabinettsmitglieder, Ebert, Scheidemann, Landsberg, Haase, Dittmann und Barth. Die Erklärung wird von der Versammlung mit brausendem Jubel aufgenommen. Die Bestätigung erfolgte, wie der Vorsitzende feststellt, mit ungeheurer Mehrheit gegen vereinzelte Stimmen. Auf Antrag eines Mitglieds der Revolutionären Obleute wird unter stürmischer Zustimmung der Versammlung ein »Aufruf an das Volk« beschlossen.
»… Das alte Deutschland ist nicht mehr. Das deutsche Volk hat erkannt, daß es jahrelang in Lug und Trug gehüllt war … Die Revolution hat von Kiel ihren Siegesmarsch angetreten und hat sich siegreich durchgesetzt.
Die Dynastien haben ihre Existenz verwirkt. Die Träger der Krone sind ihrer Macht entkleidet.
Deutschland ist Republik geworden, eine Sozialistische Republik. … Die Träger der politischen Macht sind jetzt Arbeiter- und Soldatenräte … Die Aufgabe der provisorischen Regierung, die von dem Arbeiter- und Soldatenrat Berlin bestätigt ist, wird in erster Linie sein, den Waffenstillstand abzuschließen und dem blutigen Gemetzel ein Ende zu machen … Die rasche und konsequente Vergesellschaftung der kapitalistischen Produktionsmittel ist nach der sozialen Struktur Deutschlands und dem Reifegrad seiner wirtschaftlichen und politischen Organisation ohne starke Erschütterung durchführbar. Sie ist notwendig, um auf den blutgetränkten Trümmern eine neue Wirtschaftsordnung aufzubauen, um die wirtschaftliche Versklavung der Volksmassen, den Untergang der Kultur zu verhüten … Der Arbeiter- und Soldatenrat ist sich dessen bewußt, daß die revolutionäre Macht Verbrechen und Fehler des alten Regimes und der besitzenden Klassen nicht mit einem Schlage gutmachen, daß sie den Massen nicht sofort eine glänzende Lage verschaffen kann. Aber diese revolutionäre Macht ist die einzige, die noch retten kann, was zu retten ist. Die sozialistische Republik ist einzig imstande, die Kräfte des internationalen Sozialismus zur Herbeiführung eines demokratischen Dauerfriedens in der ganzen Welt auszulösen. Es lebe die deutsche sozialistische Republik!«
Danach wird die Internationale gesungen, die Arbeiter- und Soldatenräte begeben sich nach Hause, während sich das politische Kabinett in der Reichskanzlei als »Rat der Volksbeauftragten« konstituiert. Schließlich bleibt Ebert allein an seinem Schreibtisch zurück. Da klingelt das Telefon. Am anderen Ende der Leitung meldet sich General Groener, aus dem bis heute früh noch kaiserlichen Hauptquartier in Spa. Das Gespräch ist nicht aufgezeichnet worden, Zeugen waren nicht anwesend. In Groeners Lebenserinnerungen heißt es: »Am Abend des 10. November rief ich die Reichskanzlei an und teilte Ebert mit, daß das Heer sich seiner Regierung zur Verfügung stelle, daß dafür der Feldmarschall und das Offizierskorps von der Regierung Unterstützung erwarteten bei der Aufrechterhaltung der Ordnung und Disziplin im Heer. Das Offizierskorps verlange von der Regierung die Bekämpfung des Bolschewismus und sei dafür zum Einsatz bereit. Ebert ging auf meinen Bündnisvorschlag ein. Von da ab besprachen wir uns täglich abends auf einer geheimen Leitung zwischen der Reichskanzlei und der Heeresleitung über die notwendigen Maßnahmen. Das Bündnis hat sich bewährt.«
Chronik November-Dezember 1918
Putschversuch in Berlin, 6. Dezember 1918
1918 11. November: Im Wald von Compiègne wird der Waffenstillstand unterzeichnet.
Bildung einer preußischen Regierung aus Mitgliedern der spd und uspd.
18. November: Um alle lokalen Versuche zur Enteignungvon Fabriken und Werken abzufangen, bildet die Regierungeine »Sozialisierungs-Kommission«, die ein halbes Jahr später wieder aufgelöst wird.
19. November: Die Volksbeauftragten verbieten Streiks in lebenswichtigen Betrieben.
20.–21. November: In Berlin finden Massendemonstrationen des Spartakusbundes, der ehemaligen Spartakusgruppe, für die »Rätemacht« und die »Weiterführung der Revolution« statt.
21. November: Mit
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