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Die Deutschen

Die Deutschen

Titel: Die Deutschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Artur Müller
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seiten der Reichsregierung unsere Lage zu optimistisch beurteilt wird. Man läßt sich von den Ereignissen treiben und befindet sich politisch absolut in der Defensive.
    Erst wenn die Zustände ganz unheilbar geworden sind … wird mit militärischen Machtmitteln eingeschritten. Das sind auf die Dauer unhaltbare Zustände … Wir treiben einer inneren Katastrophe entgegen. Ob wir, wenn sie erst eingetreten ist, noch die Machtmittel in der Hand haben, sie zu überwinden, ist mehr als zweifelhaft. Alles sehnt sich nach der starken Hand, die Ordnung schafft … Zwei Dinge tun uns not: Arbeit und Ordnung! Beide können wir haben, aber nicht mit Worten. Die Versuche, das Volk durch Milde und Zureden zur Annahme von Arbeit zu bringen, sind vergeblich gewesen. Nur Zwang wird das Volk zur Arbeit bringen.
    Daraus ergeben sich folgende Notwendigkeiten:
    1. Vernünftiger Abbau der Arbeitslosenunterstützung. Der Grundsatz: wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen, muß wieder wie früher zur Geltung kommen …
    2. Unbedingtes Verbot politischer und wirtschaftlicher Streiks …Wie aber wird die Regierung mit solchen im wahrsten Sinne des Wortes sozialen Maßnahmen durchdringen, wenn ihr Elemente ungestraft entgegentreten dürfen, deren einziges Streben darauf gerichtet ist, auf den Trümmern unserer staatlichen und wirtschaftlichen Ordnung ihre nur aus Ehrgeiz und Egoismus, im besten Falle aus utopischen Ideen erstrebte Herrschaft zu errichten? Diese Schädlinge müssen rücksichtslos vernichtet werden. Kampf bis aufs Messer gilt es diesen staatsfeindlichen Elementen gegenüber.
    Rigorose Unterdrückung ihrer Presse und ihrer führenden Persönlichkeiten ist das einzig wirksame Mittel …
    Zur Durchführung ihrer Aufgaben braucht die Regierung Macht. Noch hat sie die Macht. Die Armee ist bereit, dem Willen einer tatkräftigen Regierung zum Siege zu verhelfen.
    Läßt die Regierung tatenlos die Zeit verstreichen, so verliert sie infolge der Herabminderung des Heeres ihre militärische Macht und stärkt die Macht des Bolschewismus. Weil aber die Regierung auf die tatkräftige Mitwirkung der Truppe angewiesen ist, muß alles vermieden werden, was geeignet ist, die Stimmung der Armee gegen die Regierung und die hinter ihr stehenden Parteien einzunehmen … Es gilt schnell zu handeln, sonst schreiten die Ereignisse über uns hinweg.«
    Und um keinen Zweifel zu lassen über den offiziellen Charakter dieses Schreibens steht darunter: »Der Kommandierende General (gez.) von Lüttwitz.«
    Reichspräsident und Reichswehrminister lassen sich von diesem Brief nicht beeindrucken. Sie denken immer noch, der Untersuchungsausschuß werde die Herren so demaskieren, daß sie jeden Widerstand gegen die Republik aufgeben werden. Aber es kommt anders. Hindenburg fährt in einem Salonwagen von Hannover nach Berlin und wird am Bahnhof Friedrichstraße von einer Ehrenkompanie begrüßt; zwei aktive Offiziere werden ihm als Adjutanten zugeteilt, und vor der Villa, in der er wohnt, zieht ein Doppelposten mit Stahlhelm auf. Am 18. November belehrt Hindenburg den Untersuchungsausschuß, daß die Niederlage nicht der Armee zuzuschreiben sei, sondern der Demoralisierung und Uneinigkeit der Zivilbevölkerung. Dem Heer habe die Revolution einen »Dolchstoß in den Rücken« versetzt. An dem Gift dieser »Dolchstoßlegende« wird die Republik eines Tages umkommen. Und der Feldmarschall verläßt die Reichshauptstadt mit der gleichen Feierlichkeit, mit der er empfangen worden war.
    Die Regierung ist so schockiert, daß sie den Ausschuß in den nächsten fünf Monaten nicht mehr einberufen läßt.
    Am 3. November schlägt eine Note der Alliierten wie eine Bombe ein: sie fordert, daß die laut Liste aufgeführten Personen als Kriegsverbrecher auszuliefern seien: vier Generalfeldmarschälle, darunter Hindenburg und von Mackensen, der Großadmiral von Tirpitz, die Generale Ludendorff, von Falkenhayn, von Bülow, von Kluck, von Below, die Reichskanzler Bethmann Hollweg und Michaelis, der Vizekanzler Helfferich und viele andere, an der Spitze der Deutsche Kaiser.
    Am 9. Februar erklärt der Chef der Reichswehr, General von Seeckt, seinen Stabsoffizieren und Abteilungschefs: »Die neue Reichswehr, der die Tradition des alten Heeres als heiliges Vermächtnis anvertraut worden ist, muß sich der Forderung der Alliierten widersetzen, auch wenn das die Wiedereröffnung der Feindseligkeiten zur Folge hat.«
    Was Seeckt intern erklärt, fordert Lüttwitz in öffentlicher

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